Super Tuesday: Vorwahl-Durchmarsch mit Warn-Signalen für Trump

Ex-US-Präsident Donald Trump hält Rede
Beim "Super Tuesday" setzt sich der Vorwahl-Trend fort: Zwischen 20 und 35 Prozent der konservativen Wähler wollen Ex-Präsidenten Trump nicht mehr.

Donald Trump ist bei den Präsidentschaftsvorwahlen in den USA seiner haushohen Favoritenrolle gerecht geworden. Der Ex-Präsident gewann am "Super Tuesday" nach übereinstimmenden Prognosen großer US-Medien (Stand 5.30 Uhr MEZ) mindestens elf von 15 Ausscheidungen.

In North Carolina, Virginia, Tennessee, Oklahoma, Maine, Massachusetts, Arkansas, Alabama, Texas, Colorado und Minnesota ließ der 77-Jährige seine einzige noch im Rennen verbliebene Konkurrentin Nikki Haley teils mit großem Abstand hinter sich und kam dem Quorum von nötigen 1.215 Delegierten beim Nominierungsparteitag im Juli einen größeren Schritt näher.

Der 77-Jährige sprach vor Anhängern in seinem Privatanwesen Mar-a-Lago in Florida von einem "fantastischen Abend". "Sie nennen es nicht umsonst den Super Tuesday." Sein Erfolg sei beispiellos: "Das ist groß", sagte Trump. 

Auch Kalifornien, wo mit 169 die meisten Delegierten zu vergeben waren, geht an den Ex-Präsidenten. Trump kommt prognostiziert so bereits auf über 900 Stimmen. Die Ex-Gouverneurin South Carolinas war lediglich im tief demokratischen Klein-Bundesstaat Vermont erfolgreich. Nach einem Kopf-an-Kopf-Rennen mit Trump entschied sie 17 Delegierte für sich.

Bei den Demokraten marschierte der de facto konkurrenzlose Amtsinhaber Joe Biden problemlos durch den Wettbewerb und gewann bis auf das kleine Außenterritorium Amerikanisch-Samoa (sechs Delegierte), sämtliche Ausscheidungen.

Hier die vorläufig wichtigsten Erkenntnisse:

Was bedeutet der Tag für Donald Trump?

Rein mathematisch ist ihm die Kandidatur nach diesem Durchmarsch kaum mehr zu nehmen. Der Ex-Präsident (2017 bis 2021) ging bereits mit 274 Delegierten-Stimmen in den "Super Tuesday". Nach vorläufigen Ergebnissen wird der 77-Jährige das Gros der 865 zu vergebenden Delegierten-Stimmen für den Nominierungsparteitag im Juli in Milwaukee auf sich vereinigt haben. Dort werden 1215 Delegierte (von insgesamt 2429) benötigt, um offiziell als Kandidat der "Grand Old Party" im November zur Wahl ums Weiße Haus antreten zu dürfen.

Dort aber würden die Karten neu gemischt. Und hier hat Trump kein konkurrenzlos gutes Blatt auf der Hand. Seine Rivalin Nikki Haley hat in allen Vorwahlen bisher regelmäßig zwischen 20 und 40 % der konservativen Stimmen abgesogen; allesamt Trump-Gegner.

Was macht Trumps durchschnittliche Wählerschaft aus?

Wie detaillierte Nachwahlbefragungen ergaben, punktet Trump zwar wie gehabt in landwirtschaftlich geprägten Bundesstaaten bei älteren, weißen Wählerinnen und Wählern über 50 ohne Hochschulbildung sowie bei christlichen Nationalisten. Schaut man auf ethnisch diverse Ballungsräume und deren Vorstädte („suburbs”) mit einer überdurchschnittlich gebildeten Bevölkerung, dann sieht es schlechter für den Rechtspopulisten aus. Hier hat Trump nach ersten Analysen gegenüber 2016 und 2020 Anteile verloren.

Ohne Stimmen aus diesen Wähler-Segmenten, prophezeien Wahlforscher, könnte Trump im Herbst die Präsidentschaftswahl wie 2020 erneut gegen den Demokraten Joe Biden verlieren.

Es wird erwartet, dass Trump seine bisher allein auf die Bedürfnisse der radikal-konservativen Basis ausgerichteten Politik-Angebote (strikte Abtreibungsregeln, geopolitischer Isolationismus, Massen-Deportation von illegalen Einwanderern etc.) rhetorisch abmildert, um auch bei Wählern in der politischen Mitte Gehör zu finden.

In einer Rede in seinem Florida-Domizil Mar-a-Lago warb Trump am Dienstagabend dafür, das Land zu "einen".

Wichtig am Rande: Trumps finanzielle Möglichkeiten sind durch gerichtlich verhängte Strafgelder von einer halben Milliarde Dollar maximal eingeschränkt, die Parteikasse der Republikaner ist derzeit klamm. Der Immobilien-Unternehmer sucht nach solventen Unterstützern. Konkret will er den Multi-Unternehmer und Milliardär Elon Musik für sich gewinnen. Ein Treffen hat bereits stattgefunden.

Was macht Nikki Haley?

Seit Wochen hatte die Ex-Gouverneurin von South Carolina erklärt, dass sie trotz ihrer Niederlagen-Serie, die im Januar in Iowa begann, im Wettbewerb bleiben wird. Die Ergebnisse von gestern bestätigen den Negativ-Trend; die bisher einzigen Sieg im notorisch Trump hassenden Hauptstadtbezirk Washington DC und im verträumten Vermont sind als Ausreißer zu betrachten. Die 52-Jährige hat rechnerisch kaum mehr Chancen, um Trump noch abzufangen.

Dass sie am "Super Tuesday" in absoluten Zahlen weit über 1,5 Millionen Stimmen bekam, nutzt ihr nichts in einem Wahlsystem ("the winner takes all"), das Trump klar begünstigt. Haley startete mit nur 47 Delegierten in den Super Tuesday, sie hat jetzt 52. Sie kann einfach nicht in ausreichender Zahl republikanische Wähler von sich überzeugen. Die Republikaner sind eindeutig Trumps Partei geworden. Steigt sie nun aus?

Haley lässt die Frage noch offen. Trump sei ein Schein-Riese, sagt sie gebetsmühlenartig. Ihn zu wählen, gleiche „politischem Selbstmord". Übertrage man seine Vorwahl-Ergebnisse auf den Wahltag am 5. November, fehlten ihm entscheidende Anteile der konservativen Wählerschaft. „Er wird wieder gegen Biden verlieren.”

US-Analysten sagen, Haley könnte versucht sein, ihre Kandidatur ruhen zu lassen (nicht zu verwechseln mit aufgeben), für den Fall, dass Trump bis zum Sommer durch Gerichtsprozesse oder andere Zwischenfälle nachhaltig beschädigt werden sollte. Alternative: Nach ein paar Wochen im „Abklingbecken”, gibt sie offiziell auf, reiht sich hinter Trump ein, küsst sogar den Ring des Partei-Oberen und verschafft sich so eine neue Ausgangsposition für die Wahl 2028.

Welche Lehren muss Joe Biden aus dem Mega-Wahltag ziehen?

Der 81-Jährige war in den demokratischen Vorwahlen gesetzt, parteiinterne Konkurrenz spielte keine Rolle. Er gewann bis auf das Außenterritorium Amerikanisch-Samoa überall. Darum kam es eher auf Zwischentöne an. Geringe Wahlbeteiligung hätte für Ermüdung und Gleichgültigkeit im demokratischen Wahlvolk gesprochen, wo über 60 % lieber eine Alternative zu Biden hätten. Danach sieht es in ersten Analysen aber nicht aus.

Auch die Dimension von Protest-Wählern, die seine Nahost-Politik als zu Israel-freundlich ansehen, ist bis jetzt nicht vollständig einzuschätzen. In Michigan zeigten vor einigen Tagen 100 000 meist arabisch-stämmige Wähler dem Amtsinhaber die gelbe Karte. Ihre Drohung, Biden im November nicht zu wählen, wenn Amerika von Israel keinen dauerhaften Waffenstillstand in Gaza erzwingt, wiegt schwer.

Der Präsident weiß um die Langzeitwirkung schlechter Umfragen. Die jüngsten Erhebungen sehen ihn um bis zu fünf Prozentpunkte hinter Donald Trump. Biden wird darum versuchen, mit den Ergebnissen vom Dienstag bei der „Rede zur Lage der Nation” am Donnerstag im Kongress in Washington vor erwarteten 50 Millionen Amerikanern an den Fernsehschirmen seiner Kandidatur eine neue, aggressivere, selbstbewusstere Note zu verleihen.

Seine Ansprache, heißt es in Regierungskreisen, werde sich nicht darin erschöpfen, gesetzgeberische Errungenschaften aufzuzählen und sich im Licht einer weltweit beispiellos boomenden Post-Corona-Wirtschaft mit steigenden Börsen und sinkender Arbeitslosigkeit zu sonnen.

Biden ist zutiefst davon überzeugt, dass die amerikanische Demokratie mit einer zweiten Amtszeit Trumps irreparablen Schaden erleiden würde. Von diesem Fluchtpunkt aus betrachtet der älteste Präsident, den Amerika je hatte, alles, was am 5. November auf dem Spiel steht. Gelingt es ihm, diese Botschaft glaubwürdig und eindringlich zu verkaufen, so glauben seine Kampagnen-Strategen, kann der Amtsinhaber das für ihn ungünstige Blatt in den kommenden Monaten wenden.

Was sind die wichtigen Erkenntnisse für Biden und Trump?

In drei Bundesstaaten - Kalifornien, North Carolina und Virginia - ergaben Nachwahlbefragungen, dass Trumps angekündigte harte Tour gegen illegale Einwanderer (er plant Massenabschiebungen und riesige Aufnahmelager) in der konservativen Wählerschaft nicht auf Ablehnung trifft. Zwischen 59 % und 69 % der Wähler waren dafür.

Beunruhigende Erkenntnisse hält die Meinungsforschung für Trump jedoch hinsichtlich seiner in der Schwebe hängenden Strafprozesse wegen Verschwörung und versuchter Wahlmanipulation bereit. Zwischen 23 % (Kalifornien) und 40 % (Virginia) der Wähler halten den 77-Jährigen nicht mehr für präsidiabel, wenn er bis zur Wahl am 5. November schuldig gesprochen werden sollte.

Für Joe Biden gibt es Anlass zur Nachdenklichkeit, was ethnische Minderheiten anbelangt, die ihn 2020 noch kräftig unterstützt haben. Im bevölkerungsreichsten Kalifornien (40 Millionen) brachte Trump über 70 % der nicht-weißen Bevölkerung (vor allem Latinos) hinter sich, obwohl er gegen Einwanderer massiv Front macht.

Bei den Befragungen von Wählern, die frisch aus den Wahllokalen kamen, verfestigte sich zudem ein Trend: Die Situation an der mexikanischen Grenze, wo die illegale Einwanderung überhandgenommen hat, ist beinahe Thema Nr. 1, gleichbedeutend mit der wirtschaftlichen Lage. Der Druck auf Präsident Biden, die Zahlen deutlich zurückzufahren, wird zunehmen. Trump arbeitet hier mit Maximalversprechen: Er würde die USA vorübergehend für Asylsuchende vollkommen abschotten.

Wie geht es in den Vorwahlen weiter?

Am 12. März sind Georgia, Mississippi und Washington State sowie Hawaii (nur Republikaner) zur Wahl aufgerufen. Am 19. März folgen Arizona, Florida, Illinois, Kansas und Ohio. Spätestens dann dürfte Donald Trump die republikanische Kandidatur rechnerisch nicht mehr zu nehmen sein.

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