Kriegswirtschaft: Wie viele Russen Putins Waffen produzieren
Die Besatzung der russischen Korvette "Sergei Kotow" versucht noch, die ukrainischen Wasserdrohnen mit Dauerfeuer zu zerstören. Doch kurz darauf folgt die erste Explosion, wie ein Video zeigt, das auf russischen Kanälen veröffentlicht wird.
Einmal mehr sinkt ein Schiff der Schwarzmeerflotte, beinahe ein Viertel liegt bereits auf dem Grund des Schwarzen Meeres. Ukrainische Quellen beziffern den Wert der „Sergei Kotow“ mit 65 Millionen Dollar. 2018 hatte Russland mit Algerien einen Liefervertrag für 45 Millionen pro Korvette desselben Typs unterzeichnet.
„Alles für die Front, alles für den Sieg!“
Insgesamt haben die Ukrainer seit Beginn des ukrainischen Angriffskriegs laut Forbes 17.000 Tonnen an Kriegsschiffen zerstört. 18.000 Tonnen produzierte die russische Marine im vergangenen Jahr – allerdings kaum am Schwarzen Meer. Und nachdem der Bosporus für Kriegsschiffe gesperrt ist, ist Verstärkung nicht in Sicht. Dennoch: Während die Ukraine im Begriff ist, den Seekrieg ohne eigene Flotte zu gewinnen, rücken die russischen Truppen an Land weiter vor. Experten halten mittlerweile gar einen Durchbruch der ukrainischen Verteidigungslinien für möglich.
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Zwei der wichtigsten Gründe dafür sind die zögerlichen Waffen- und vor allem Munitionslieferungen aus dem Westen – und die russische Kriegswirtschaft. „Alles für die Front, alles für den Sieg!“, sagte der russische Finanzminister Anton Siluanov im Herbst – und bemühte damit einen sowjetischen Spruch aus dem Zweiten Weltkrieg.
Rund um die Uhr wird in russischen Waffenfabriken im Schichtbetrieb gearbeitet. 3,5 Millionen Menschen – das sind etwa 2,5 Prozent der russischen Gesamtbevölkerung – sind mittlerweile im militärisch-industriellen Komplex beschäftigt. Und es sollen noch mehr werden – bei guter Bezahlung. Berichten zufolge verdienen Maschinenführer und Schweißer in Russland mehr als viele Manager oder Anwälte. 7,5 Prozent seines Bruttoinlandsprodukts gibt Russland für seine Verteidigung aus, laut der Financial Times investiert der Kreml ein Drittel seines Budgets in den Ukrainekrieg. Also neben der Waffen- und Munitionsproduktion Sozialleistungen für die kämpfenden Soldaten und deren Familien sowie Sonderbudgets für die besetzten Gebiete.
Auf längere Zeit – so warnen auch russische Wirtschaftsexperten – dürfte die russische Kriegswirtschaft den anderen Sektoren massiv schaden. Bereits jetzt haben zivile Unternehmen Probleme, Personal zu finden. Doch im Moment – und wohl auch in den kommenden Jahren – hält die Kriegswirtschaft das russische Wachstum stabil. Dafür sorgen auch die massiven Einnahmen aus dem Energiehandel. Und diese werden quasi non-stop in Kriegsgerät umgewandelt: Im Schnitt 100 Kampfpanzer pro Monat konnte Russland zwischen Jänner und Oktober produzieren. Meist wurden dafür ältere, eingemottete Panzermodelle verwendet und modifiziert. Aber im Abnützungskrieg ist auch die Masse entscheidend.
28 Kampfpanzer bekam die Ukraine im Schnitt pro Monat geliefert, im Bereich der Haubitzen ist der Unterschied noch größer: 250 zu 20. Vor allem die Artillerie ist in diesem Krieg entscheidend und während russische Lancet-Drohnen zahlreiche Angriffe auf ukrainische Artilleriegeschütze verüben, leiden die ukrainischen Streitkräfte unter Munitionsmangel. Während Russland im vergangenen Jahr zwei Millionen Artilleriegranaten produzierte und mit hoher Wahrscheinlichkeit eine weitere Million von Nordkorea bekam, konnte die Europäische Union gerade einmal den Iran übertreffen: 500.000 Artilleriegranaten sollen aus Europa gekommen sein, 300.000 aus der Islamischen Republik.
Wenn der russische Angriffskrieg einmal endet – so Analysten – dürfte für Russland ein böses Erwachen folgen. Doch bis dahin fachen Kriegswirtschaft und Energieeinnahmen das Wirtschaftswachstum an. Und verschaffen den russischen Streitkräften die Möglichkeit, den Druck am Schlachtfeld massiv zu erhöhen.
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