Kriegsprotokolle aus Kiew: "Ich fühle gar nichts mehr"

Kriegsprotokolle aus Kiew: "Ich fühle gar nichts mehr"
Der ukrainische Sportjournalist Wladislaw Dunaienko tauschte seinen Laptop gegen eine Waffe und steht nun in Kiew an der Front.

"Es ist Frühling, sonnig und warm heute (16. März 2022, Anm.). Früher wäre ich an so einem Tag mit meinen Freunden picknicken gegangen. Die Straßen hier wären voll. Leute würden Eis essen. Manche würden vielleicht Blumen für ihre Freundin kaufen", Wladislaw Dunaienko muss beim Gedanken an die "einfachen Tage", wie er sie nennt, lachen. Ein tiefer Atemzug zieht den Ukrainer wie einen Anker zurück auf den Boden der Realität.  

"Jetzt ist die Stadt leer – wirklich leer", sagt Dunaienko. Die Stille wird im Fünf-Minuten-Takt von Bomben und Schüssen durchbohrt. "Patrouillen in der Nacht sind am furchteinflößendsten. Wenn es finster ist, sind die Russen am aktivsten, dann sieht man nicht, woher die Angriffe kommen. Das ist immer der unheimlichste Teil meines Tages."

Der 23-Jährige ist an einer Tankstelle neben einer Brücke stationiert, "das ist eigentlich eine gute Position, weil wir von der Seite die russische Armee attackieren können, ohne dass sie uns sieht, aber es ist zugleich auch sehr gefährlich. Wenn eine Bombe die Tankstelle trifft, dann gibt es ein großes BOOM", sagt Dunaienko. 

Auch wenn er dabei Witze macht, schwingt das Entsetzen und die Ungläubigkeit über das, was in seinem Land gerade passiert, in jedem Wort mit. Vor wenigen Tagen explodierte um fünf Uhr morgens eine Bombe in einem bewohnten Häuserblock, nur wenige hundert Meter von ihm entfernt. "Um ehrlich zu sein, ist es oft wirklich beängstigend." 

"Kein anderer Weg"

Drei bis viermal am Tag geht Dunaienko auf Patrouille in den Straßen Kiews. "Heute von 2  bis 4  Uhr, dann von 10  bis 12 Uhr und von 20 bis 22 Uhr. Dazwischen helfe ich beim Mischen der Molotow Cocktails und dem Bau von Schutzmauern und Verteidigungsstützpunkten."

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Wladislaw Dunaienko ist "bereit für den Krieg" in Kiew 

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