„Ich habe noch nicht begriffen, was uns hier gelungen ist“, sagt Johannes Aigner nach dem Rennen in Yanqing. Dabei war es für den 16-Jährigen und seinen Guide Matteo Fleischmann die erste Abfahrt in ihrem Wettkampf-Leben.
Normalerweise starten sie in den technischen Disziplinen, nun probierten sie es auch in der Königsdisziplin. „Es hat uns sofort Spaß gemacht“, sagt Guide Fleischmann: „Hansi hatte von Beginn an keine Angst. Ich könnte mir das nicht vorstellen, mit acht Prozent Sehvermögen eine Abfahrt mit 100 km/h zu fahren. Das ist, wie wenn man mit ganz zugekniffenen Augen fährt. Er ist ein wilder Hund.“
Das verrät auch schon das Motto von Doppelweltmeister Johannes Aigner: „Wer bremst, verliert!“ Sorgen machte er sich nur um seine Mutter: „Sie war sicher nervöser als ich. Ich will gar nicht wissen, wie es ihr jetzt geht. Im Ziel konnte ich es gar nicht glauben. Matteo hat mir zugerufen, dass wir vorne sind. Ich habe gedacht, er will mich reinlegen“, sagt Johannes Aigner.
Die siebenköpfige Familie Aigner besteht aus Mama Petra, Papa Christian, Irmgard (24), Elisabeth (23), Veronika (19) sowie aus den Zwillingen Johannes und Barbara (16). Zu Hause sind sie auf einem Reiterhof in Gloggnitz in Niederösterreich, ganz nah beim Semmering. Von dort aus organisiert Mama Petra die Rennen ihrer skiverrückten Kinder. Papa Christian fungiert als Chauffeur und Servicemann. Das Präparieren der 32 Paar Skier brachte sich der gelernte Tischler selbst bei. Manche Saisonen kosten die Familie zwischen 60.000 und 70.000 Euro.
„Ich weiß heute gar nicht mehr, wie wir das alles geschafft haben“, sagt Petra Aigner. Sponsoren sind trotz vieler Erfolge überschaubar. „Wir können eigentlich gar nicht Skifahren. Wir kommen zwar den Hang runter, aber zuschauen darf uns dabei keiner“, sagte die selbst sehbeeinträchtigte Mutter in einem ORF-Beitrag.
Die älteste Tochter Irmgard fuhr Jahre lang ihrer sehbeeinträchtigten Schwester Veronika voraus. Als Elisabeth keine FIS-Rennen mehr fuhr, wurde sie die neue Vorfahrerin von Veronika.
„Der Einzelwettkampf hat mir zu wenig gegeben. Ich mochte auch die ganze Aufmerksamkeit nicht“, sagte Elisabeth vor zwei Jahren im KURIER. Heute ist sie Polizistin und wird am 11. März (2.30 Uhr/live ORF1) mit Veronika am Start stehen.
Der Weg dorthin war für die beiden Aigner-Schwestern geprägt von Höhen und Tiefen. Für ihre zahlreichen Weltcup- und Europacupsiege wurde das Duo 2020 als „Österreichs Sportlerin des Jahres mit Behinderung“ ausgezeichnet.
Sykora-Tochter gibt die Linie vor
Anfang 2021 stürzte Veronika Aigner im Training schwer und riss sich in beiden Knien Kreuzband und Meniskus. Ihr Comeback Ende 2021 wurde durch einen unverschuldeten schweren Autounfall gestoppt – und damit auch die Teilnahme an der Para-Ski-Weltmeisterschaft in Lillehammer im Jänner.
Dort glänzten dafür Barbara Aigner mit ihrer Vorfahrerin Klara Sykora, der 21-jährigen Tochter des ehemaligen Slalomstars Thomas Sykora. Ihrem WM-Gold möchten die beiden ebenfalls am 11. März eine Paralympics-Medaille hinzufügen. Ihre Teilnahme empfindet die 16-jährige Fahnenträgerin als „riesengroße Ehre“. Die Aigners starten in neun Disziplinen und hoffen, dass das Gold zum Auftakt nicht das letzte sein wird.
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