"Papa, wohin gehst du?" Wenn ukrainische Sportler in den Krieg ziehen

"Papa, wohin gehst du?" Wenn ukrainische Sportler in den Krieg ziehen
Zahlreiche Profi-Sportler erhoben nach dem Einmarsch Russlands in der Ukraine nicht nur ihre Stimme, sondern beteiligen sich an den Kämpfen.

"Papa, wohin gehst du?!" Der ukrainische Tennisprofi Sergej Stachowski war "hin- und hergerissen" als er sich von seinem dreijährigen Sohn verabschiedete. "Ich sagte, ich bin gleich wieder da … das war das Schlimmste von allem für mich. Ich kann mir nicht vorstellen, dass meine Frau mir jemals vergeben wird", sagte der 36-Jährige in einem Interview mit dem australischen Radiosender RSN Racing & Sport.

Noch vor zwei Monaten spielte Stachowski bei den Australian Open sein letztes Tennismatch als Profi. Im Jänner beendete er seine Karriere. Heute hält Stakhovsky eine Waffe in der Hand und verteidigt damit seine Heimat gegen Russland – das Vaterland seiner Frau.

Über Politik redet das Paar mit seinen drei Kindern schon lange nicht mehr, "weil wir sonst unsere Familie ruiniert hätten". Stachowski sagt gegenüber Sky News, dass er kämpfen werde, obwohl er keine militärische Ausbildung und nur "private Waffenerfahrung" habe. "Ich sehe keinen Grund, weshalb die Mehrheit meiner Landsleute ihr Leben riskieren muss, um ihre Familien zu schützen und sie in Sicherheit zu bringen, während ich nur dabei zuschauen werde."

Keine Aufgabe

Sein Vater und sein Bruder, beide Chirurgen, "schlafen im Luftschutzkeller und tun, was sie tun müssen: Sie ziehen in den Krieg", sagt Stachowski. Am Dienstag schrieb der 36-Jährige auf Twitter: "Tag 2 in Kiew beginnt. Die Menschen um mich herum sind guter Dinge. Niemand ist bereit, aufzugeben".

2013 bezwang Stakhovsky in Wimbledon in der zweiten Runde Titelverteidiger Roger Federer – jetzt steht er einem schier übermächtigen Gegner gegenüber. Doch er ist nicht der einzige ukrainische Sportler, der sein Land gegen die einmarschierenden Russen verteidigt.

Die Elite der ukrainischen Profiboxer ist ebenfalls bereit für einen Kampf, der ihnen aufgezwungen wurde.

Allen voran die Klitschko-Brüder. Witali Klitschko, der ehemalige Boxweltmeister und seit 2014 Bürgermeister von Kiew, soll auf den Todeslisten russischer Killereinheiten stehen. Laut der britischen Tageszeitung Times und der APA, sollen bereits 400 Söldner von Putins "Wagner-Privatarmee" in Kiew sein und es auf zwei Dutzend hochrangige ukrainische Politiker, u.a. die Klitschko-Brüdern und Präsident Selenskyj, abgesehen haben.

Klitschko betonte, die ukrainische Hauptstadt nicht zu verlassen und stattdessen zu kämpfen. Wie sein Bruder Wladimir, der zuletzt in einer Videobotschaft auf Deutsch an Europa appellierte: "Wir brauchen jetzt ihre Hilfe! Dringend! (…) Helft und spendet für das Überleben der Ukrainer und für den Frieden in Europa." Laut Klitschko haben "vier Millionen Menschen in meiner Stadt nicht geschlafen und eine höllische Nacht hinter sich."

Kampfbereit zeigt sich auch Olympiasieger (2012) und Boxweltmeister Oleksandr Ussyk, der regelmäßige Updates und Videobotschaften auf Social Media teilt: "Ich möchte zu den Menschen Russlands sprechen. (…) Kämpft nicht gegen uns." An Präsident Vladimir Putin: "Du kannst diesen Krieg stoppen. (…) Wir sind hier in unserem Land, wir können nichts anderes machen, als es zu verteidigen. Beende es. Stopp den Krieg. Kein Krieg!!"

Sein Kollege und enger Freund Wassyl Lomatschenko ist ebenfalls der ukrainischen Armee beigetreten. Der zweifache Olympiasieger (2008 und 2012) und Weltmeister in drei Gewichtsklassen (Feder-, Superfeder- und Leichtgewicht) schrieb sich für die territorialen Verteidigungskräfte seines Landes ein. "Wir sind so stolz auf unsere Boxer, unsere wahren Champions im Boxen und Champions in diesem Krieg", sagte Mykola Kovalchuk, WBC-Präsident der Ukraine. "Wir sind stolz, Ukrainer zu sein."

Am Dienstag gab auch Yuriy Vernydub, der Trainer von Sheriff Tiraspol, bekannt in den Krieg zu ziehen. Der Fußball-Klub aus Moldawien hatte erst im vergangenen Herbst in der Gruppenphase der Champions League Real Madrid bezwungen und damit für Aufsehen gesorgt. Einer seiner Spieler, Gustavo Dulanto, schrieb über Vernydub auf Social Media: "Möge Gott meinen Trainer, der in die Ukraine ging, beschützen."

Der ukrainische Biathlon-Weltmeister (2019) Dimitri Pidrutschni und sein Team bleiben ebenfalls für die Verteidigung in ihrem Land und bitten um Hilfe: "Sagt mir nicht, dass Sport nichts mit Politik zu tun hat. Es hat damit zu tun!!"

Schach-Großmeister und Kapitän des ukrainischen Teams Oleksandr Sulypa bat Journalisten um Hilfe und postete auf Social Media: "Ich verteidige mein Land vor Feinden und "Friedenstruppen". Die Wahrheit wird siegen!"

Sulypa appelliert an alle russischen Schachspieler: "Unterstützt keine kriminellen Anordnungen. Wir haben überall Straßensperren, die Stadt wird von der Verteidigung der Stadt bewacht. Ich beteilige mich aktiv."

Kürzlich ging auch ein Bild der Fußball-Mannschaft Dynamo Kiew online. Die Spieler trugen Militärausrüstung und Waffen. Inwieweit sie wirklich im Krieg aktiv involviert sind, ist noch nicht bekannt. Einige versuchen auch symbolisch aus dem Ausland zu helfen, wie Tennisspielerin Elina Switolina. Sie gab bekannt, all ihre kommenden Preisgelder der Armee, sowie für humanitäre Zwecke zu spenden. 

Wie lange die Ukrainer noch Widerstand leisten können, ist fraglich. Schon jetzt zollen ihnen viele Respekt für ihren schier aussichtslosen Kampf.  

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