Am Wochenende spitzte sich der Konflikt zwischen China und den Philippinen erneut zu. Die USA sehen das mit Sorge – sie müssten die Philippinen im Falle einer Eskalation verteidigen.
Der Ort, den viele Beobachter momentan für den gefährlichsten Brandherd im Konflikt der Großmächte USA und China halten, sieht nicht spektakulär aus. Eigentlich sind es nur ein paar größere Sandbänke, die meisten ragen nicht einmal bei Flut aus dem Wasser. Doch hier, im Sabina-Atoll im südchinesischen Meer, geht es um knallharte Geopolitik.
Seit April liegt hier das größte Schiff der philippinischen Küstenwache vor Anker, die 96 Meter lange BRP Teresa Magbanua. Rein völkerrechtlich gehört das Sabina-Atoll nämlich zur exklusiven Wirtschaftszone der Philippinen. Doch auch China beansprucht es für sich, wie eigentlich das gesamte südchinesische Meer.
Die Gebietsansprüche Chinas im Südchinesischen Meer reichen bis weit in die völkerrechtlich zugesicherten exklusiven Wirtschaftszonen der umliegenden Länder hinein.
Am Samstag prallten die Gebietsansprüche beider Staaten aufeinander - wortwörtlich. Denn die philippinische Besatzung veröffentlichte ein Video, auf dem zu sehen ist, wie ein chinesisches Schiff frontal auf die BRP Teresa Magbanua zufährt und in ihren Bug kracht. Gleich dreimal hätten die Chinesen das Schiff gerammt, heißt es, Fotos zeigen sogar ein Loch in der Hülle.
Es ist der bisherige Höhepunkt einer ganzen Reihe von Vorfällen, alleine im August kollidierten Schiffe beider Länder dreimal. Sollte der Konflikt sich ausweiten, könnten auch die USA hineingezogen werden - schließlich sind sie militärisch mit den Philippinen verbündet.
Warum also bleiben sowohl China als auch die Philippinen auf Konfrontationskurs?
Das südchinesische Meer wurde nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs von den Vereinten Nationen zwischen den umgebenden Staaten Vietnam, Malaysien, Indonesien, Brunei und den Philippinen aufgeteilt.
Chinas Ansprüche Die Volksrepublik war damals nicht Teil der UNO, erkennt die Aufteilung also nicht an. Weil die hunderten Spratly-Inseln in der Region einst Teil des chinesischen Kaiserreichs waren, erhebt Peking Ansprüche auf fast das gesamte südchinesische Meer. Die Philippinen klagten vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag - und bekamen 2016 Recht. Doch China erkennt das Urteil nicht an.
Künstliche Inseln und gestrandete Schiffe Seit Jahren schüttet China neue, künstliche Inseln auf und patrouilliert das Gebiet mit seiner Marine, drängt Schiffe anderer Staaten ab. So kontrolliert Peking das südchinesische Meer inzwischen faktisch alleine.
China sieht sich beim vorangegangenen Konflikt gedemütigt
Das Sabina-Atoll ist erst vor Kurzem zum Schauplatz des Konflikts geworden, zuvor stand jahrelang das nahe gelegene Second-Thomas-Atoll im Fokus, wo die Philippinen einst absichtlich eines ihrer ältesten Schiffe stranden ließen: Die BRP Sierra Madre.
Auch wenn sie nach 25 Jahren ohne Reparatur bald auseinanderfällt, handelt es sich bei der Sierra Madre offiziell um ein Kriegsschiff. Die chinesische Marine kann also nicht direkt dagegen vorgehen, ohne einen Krieg zu provozieren. Doch die Besatzung der Sierra Madre ist auf wöchentliche Lieferungen von Lebensmitteln und Ausrüstung angewiesen.
Auf dem rostigen, fahruntüchtigen Kahn ist bis heute ein Trupp Marinesoldaten stationiert. Würde China also gegen dieses Schiff vorgehen, käme das einer Kriegserklärung gleich.
Mit Jahresbeginn setzte die chinesische Küstenwache deshalb auf eine neue Taktik und versuchte, die Soldaten auszuhungern. Sie bedrängte philippinische Versorgungsschiffe, die Lebensmittelrationen zur Sierra Madre bringen wollten. Trotz der zahlenmäßigen Übermacht der chinesischen Küstenwache ging der Plan nicht auf.
Chinas Präsident Xi Jinping (links) empfing erst im Februar sein philippinisches Gegenüber Fernando Marcos Jr. Die Beziehung der beiden ist schwer belastet.
Bei gemeinsamen Auftritten mit US-Präsident Joe Biden betonte Marcos Jr. zudem mehrfach, er würde schon den Tod „eines einzigen philippinischen Staatsbürgers“ bei einer Konfrontation mit chinesischen Schiffen als kriegerischen Akt betrachten.
Nach etlichen Vermittlungsversuchen der USA ließ sich China Ende Juli auf ein Abkommen ein, das den Philippinen gestattete, die Sierra Madre ungestört weiter versorgen zu können.
Beide Seiten setzen seither auf noch mehr Härte
Die Sierra-Madre-Krise ist damit vorerst gelöst, der größere Konflikt hat sich seither aber lediglich ins rund 40 Kilometer entfernte Sabina-Atoll verlagert und dort sogar an Schärfe gewonnen.
Die Philippinen haben gesehen, dass öffentlicher Druck China an den Verhandlungstisch zwingen kann. Deshalb haben sie erneut ein großes Schiff unmittelbar vor einem Atoll vor Anker gelegt.
Umgekehrt will China auf jeden Fall verhindern, dass aus der verankerten BRP Teresa Magbanua eine zweite Sierra Madre wird. Die wiederholten Drohgebärden und Ramm-Manöver sollen das Schiff zur Reparatur und damit zur Abreise zwingen.
Es ist ein Spiel mit dem Feuer, schließlich könnte schon ein einziger Unfall mit Todesfolge für eine endgültige Eskalation sorgen. Das betonte auch Jake Sullivan, der nationale Sicherheitsberater von US-Präsident Biden, als er sich vergangene Woche in Peking unter anderem mit Chinas Machthaber Xi Jinping traf.
Doch die Zeichen stehen auf Konfrontation: Keine 24 Stunden nach Sullivans Abreise ging das Video der Schiffskollision im Sabina-Atoll an die Öffentlichkeit.
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