Eine Frage der Bedürftigkeit
Die CDU hat eine Voraussetzung, unter der sie einer Grundrente zustimmt: nämlich eine „Bedürftigkeitsprüfung“. Es soll für jeden Fall überprüft werden, ob der Grundrente-Bezieher diese auch tatsächlich benötigt.
Die SPD lehnt eine solche Prüfung ab. Sie sei zu teuer und nicht treffsicher. „Das ist eine Sollbruchstelle für die Koalition“, versuchte SPD-Politiker Norbert Walter-Borjans die CDU unter Druck zu setzen.
Die Außenwirkung ist schlecht. Zerbrechen werde die Koalition an dem Streit aber nicht, glaubt Brandenburgs ehemaliger Ministerpräsident und Ex-SPD-Chef Matthias Platzeck. Gerade in Ostdeutschland, wo beide Parteien massiv Stimmen verloren haben, ist die Angst vor Armut groß.
Viele, die nach 30 Jahren ihren Rentenbescheid bekommen, haben unterbrochene Erwerbsbiografien und im Niedriglohnsektor gearbeitet. Sie kämen auf 500 bis 600 Euro Rente. „Wenn die Köpfe der Koalition am Montag rauskommen und sagen, wir haben das nicht gewuppt (hinbekommen, Anm.), können Sie sich vorstellen, was da los ist“, sagt Platzeck zum KURIER. Abgesehen davon habe niemand ein Interesse an einem Bruch und Neuwahlen – „das geben die Umfragen nicht her“.
Merkel übt Selbstkritik
Zudem mehrten sich die Stimmen aus beiden Lagern, dass ein Kompromiss bereits beim Koalitionsausschuss am Sonntag gefunden werden dürfte. Laut CSU-Landeschef Alexander Dobrindt sind die Vorarbeiten geleistet. Es gehe noch darum, wie „zielgenau“ die Grundrente werde.
Die CDU beharrt auf der Bedürftigkeitsprüfung. Diese sei nicht so kompliziert, wie von der SPD dargestellt. Deutsche Grundsicherungsämter und Rentenversicherungen tauschen bereits elektronisch Daten aus. Die Finanzämter müssten für eine zügige, elektronische Prüfung noch eingebunden werden – hieß es zuerst.
Merkel ruderte Dienstagabend ein wenig zurück. Die CDU habe bisher keine präzise Antwort gehabt, wie eine Grundrente administriert werden könne. Merkel glaubt aber an einen Kompromiss – und an den Fortbestand der Koalition.
Eine Grundrente: Wäre das auf Österreichisch eine bedingungslose Mindestpension? Tatsächlich fordern die Grünen, die demnächst mit der ÖVP in Koalitionsverhandlungen eintreten könnten, eine solche. Wer 65 Jahre alt ist, soll demnach 900 Euro Pension pro Monat bekommen. Könnte die deutsche Grundrenten-Debatte nach Österreich schwappen?
Gerald Loacker, Sozialsprecher der NEOS, glaubt das im Gespräch mit dem KURIER nicht: „Der generelle Unterschied zwischen diesen Modellen ist, dass die Grünen jedem Pensionisten diesen Fixbetrag geben würden, unabhängig von den Beitragsmonaten. Das ist nicht das, was die Deutschen diskutieren.“
Die deutsche Diskussion sei eher vergleichbar mit dem österreichischen Ausgleichzulagensystem – also einem Mindesteinkommen für Pensionsbezieher. „In Österreich kommt man viel leichter an eine Ausgleichszulage“, sagt Loacker. Das grüne Modell hält er für utopisch, weil es „viel zu teuer“ sei.
Österreichische Pensionszuckerl
Vor allem während des „Spiels der freien Kräfte“ sind in Österreich diverse finanzielle Verbesserungen für Pensionisten beschlossen worden. Wer 45 Jahre gearbeitet hat, darf mit 62 Jahren abschlagsfrei in Pension gehen – ab 2020.
Der Beschluss erhöht die monatliche Brutto-Durchschnittspension um 368 auf 2.921 Euro. Auch die ÖVP hat damals zugestimmt – etwas zähneknirschend.
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