"Ketzerei": Wirbel in Israel wegen jüdischer Wallfahrt in die Ukraine

"Ketzerei": Wirbel in Israel wegen jüdischer Wallfahrt in die Ukraine
Strengreligiöse Juden pilgern traditionell rund ums Neujahrsfest Rosh Hashana ins ukrainische Uman. Ministerpräsident Netanyahu warnt davor.

Die traditionelle Wallfahrt strengreligiöser Juden ins ukrainische Uman beschäftigt israelische Regierungskreise.

Die Warnung des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu vor der gefährlichen Lage vor Ort sorgte für scharfe Kritik strengreligiös-jüdischer Abgeordneter, wie die Zeitung Times of Israel laut Kathpress berichtete.

Netanyahu hatte laut einer Mitteilung seines Büros von Sonntagabend gewarnt, Gott habe das jüdische Volk nicht immer beschützt, "weder auf ukrainischem noch auf anderem europäischen Boden".

Koalitionsmitglieder bezeichneten seinen Kommentar als "Ketzerei".

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Jüdisches Neujahrsfest Rosh Hashana

Traditionell pilgern jeweils zum jüdischen Neujahrsfest Rosh Hashana, das in diesem Jahr am Abend des 15. September beginnt, Zehntausende Juden ins ukrainische Uman zum Grab des Rabbiners Nakhman (1772-1810). Er ist ein Begründer der strengreligiösen Strömung des Chassidismus.

Das israelische Außenministerium warnt aufgrund der Kriegslage vor Reisen in die Ukraine. Trotz der Reisewarnungen genehmigt die Regierung laut Bericht jedoch umgerechnet eine Million Euro an Unterstützung für Uman-Pilger.

"Ketzerei": Wirbel in Israel wegen jüdischer Wallfahrt in die Ukraine

Netanyahu: Kein Schutz vor dem Krieg

Netanyahu hatte Israelis in der Kabinettssitzung am Sonntag zu verantwortungsvollem Handeln aufgerufen. In Uman gebe es nicht ausreichend Unterkünfte für Einheimische, geschweige denn für ausländische Touristen. Ferner gebe es keinen Schutz vor den Auswirkungen des Krieges.

Yisrael Eichler von der mitregierenden, strengreligiösen Partei "Vereintes Thora-Judentum" nannte Netanyahu laut Bericht ignorant. Gott habe Israel seit über einem Jahrhundert "vor dem Götzendienst der Macht, der Vulgarität und der Assimilation des säkularen Regimes bewahrt". In Anspielung auf den Holocaust sagte er, Gott und nicht die Zionisten habe die Deutschen auf dem Weg zur Eroberung Israels aufgehalten.

Ukraine will für Sicherheit sorgen

Die ebenfalls mitregierende, ultraorthodoxe Schas-Partei reagierte laut Bericht mit einer Stellungnahme. Gott habe "das Volk Israel während all seiner Verbannungen und Verfolgungen immer beschützt", heißt es darin. Voraussetzung für diesen göttlichen Schutz sei, "dass man treu ist und die Thora und die Gebote hält".

Laut dem ukrainischen Portal risu.ua (Montag) kam es am Sonntag zu einem Telefonat zwischen dem Netanyahu und dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskij. Thema dabei war auch die Uman-Wallfahrt, für die Selenskij dem israelischen Regierungschef versicherte, die Ukraine sehe sich für die Sicherheit der Pilger verantwortlich.

"Ketzerei": Wirbel in Israel wegen jüdischer Wallfahrt in die Ukraine

50.000 chassidische Pilger würden laut israelischen Angaben in Umam erwartet. Allerdings könnten die Bunker in dem Wallfahrtsort nur etwa 11.000 Personen aufnehmen.

Die Risiken durch die ständigen Angriffe durch russische Raketen und iranische Drohnen auf die Ukraine seien eine "sicherheitspolitische Herausforderung, die dringend eine gemeinsame Antwort erfordert", erklärte Selenskij. Besprochen wurde auch eine Entsendung zusätzlicher israelischer Polizisten zu den Pilgerstätten.

Mit dem Neujahrsfest beginnt der jüdische Festmonat Tishri, in den auch der höchste jüdische Feiertag, der Versöhnungstag Yom Kippur (Vorabend des 24. September), sowie das achttägige Laubhüttenfest (Sukkot) und das Fest der Thora-Freude (Simchat Thora) fallen.

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