"Keiner soll sagen, dass die Republikaner nicht gewarnt waren"

Das derzeit größte Problem Trumps sei "seine Glaubwürdigkeit."
Der einflussreiche Kommentator Ramesh Ponnuru spricht im Interview über Trump, der einen neuen Skandal am Hals hat, als Gefahr für die Republikaner.

Grobe Sexismen im Plauderton unter älteren Herren. Die jüngste Enthüllung der Washington Post über Donald Trump demonstriert erneut erschreckend das problematische Verhältnis des Kandidaten zu Frauen. Während einer Busfahrt zu TV-Dreharbeiten 2005 plaudert der damalige Reality-TV-Star ("The Apprentice") – in ein irrtümlich eingeschaltetes Mikrofon – über die Vorzüge des Starruhms beim Anmachen von Frauen. Man könne ihnen quasi ansatzlos in den Schritt greifen, sie würden sich das gefallen lassen. Außerdem erzählt Trump über seine Pläne, eine weibliche Kollegin ins Bett zu kriegen, in mehr als vulgärer Ausdrucksweise.

Die Aufregung über die jüngste Enthüllung ist groß. Erneut gehen führende Republikaner, wie etwa deren Fraktionssprecher im Kongress, Paul Ryan, auf Distanz zu Trump, aus der zweiten Reihe der Partei werden sogar Rufe nach einem Rückzug des Kandidaten, vier Wochen vor der Wahl, laut.

Kurze Entschuldigung

Der Milliardär hat eine kurze Entschuldigung formuliert, spricht von einer Plauderei in der Garderobe und dass er eben kein perfekter Mensch sei. Ansonsten aber zeigt sich Trump gewohnt trotzig: Bill Clinton habe seine weiblichen "Opfer" viel schlechter behandelt.

Entsprechend groß ist der Erklärungsnotstand, mit dem Trump in die heutige zweite TV-Debatte geht, nachdem er die erste vor knapp zwei Wochen – gestehen selbst konservative Meinungsmacher ein – klar gegen Hillary Clinton verloren hat. Er wird es nicht tun, ist der konservative Kolumnist Ramesh Ponnuru im Gespräch mit dem KURIER – vor dem jüngsten Skandal – überzeugt: "Man kann ihn nicht auf eine solche Debatte vorbereiten, einfach, weil er sich nicht ausreichend für politische Details und Strategien interessiert."

"Keiner soll sagen, dass die Republikaner nicht gewarnt waren"
Ramesh Ponnuru, Berater von Donald Trump
Harte Kritik, wie sie der einflussreiche Berater vieler führender Republikaner im Interview offen ausspricht, ist inzwischen überall in der Partei zu hören. Und sie wird umso lauter, je deutlicher Trump in den Umfragen zurückfällt. Denn viele Republikaner fürchten inzwischen, dass ein Desaster für Trump die Partei auch bei den traditionell zugleich stattfindenden Kongresswahlen mitreißen könnte. Ein Verlust der derzeitigen Mehrheit in Senat und Repräsentantenhaus wäre eine politische Katastrophe. Mit katastrophalen Folgen auch für die Partei, wie Ponnuru kalkuliert, "eine solche Niederlage würde die Partei endgültig spalten, in jene, die sich hinter Trump gestellt haben, und jene, die ihn bis zuletzt zu verhindern versuchten".

Trump baut auf Wut der Wähler

Das derzeit größte Problem des Kandidaten sei "seine Glaubwürdigkeit. Er geht zwar mit dem Versprechen eines politischen Umbruchs in die Debatten, aber es gelingt ihm nicht, diese Botschaft für eine Mehrheit glaubwürdig zu machen". Die vernichtende Analyse des konservativen Kommentators: "Nichts, was Trump sagt, lässt einen glauben, dass er auch nur weiß, was er in den ersten zwei Wochen seiner Präsidentschaft machen soll."

Natürlich, gesteht auch Ponnuru ein, habe der Milliardär eine treue Anhängerschaft, aber deren wichtigster Grund, Trump zu wählen, sei "eine grundlegende Unzufriedenheit oder sogar Ablehnung jeglicher Autoritäten. Wie bitte soll man als Partei auf dieser Basis ein politisches Programm gestalten?" Trumps Popularität sei allein auf der Wut der Wähler aufgebaut: "Ich glaube aber nicht, dass die Mehrheit der Wähler so wütend ist, wie er es gerne hätte."

Misstrauen

Die fatale Schwäche des Republikaners ist laut Ponnuru vor allem, dass er nur bei gewissen Wählerschichten wirklich mehrheitsfähig ist, also bei weißen Männern aus der Arbeiterklasse: "Mit seiner Art, in der Öffentlichkeit aufzutreten, ist er aber der wohl schlechteste Kandidat, um neue Wähler anzusprechen." Trumps Versuche, etwa gezielt Afro-Amerikaner oder Latinos für sich zu gewinnen, seien "eine Illusion", dafür sei das Bild des Kandidaten längst viel zu klar definiert.

Die Botschaften wie sie Ponnuru für beide Kandidaten definiert, sind wenig begeisternd und bestehen vor allem in einer Warnung vor dem Gegner: "Clintons Botschaft lautet: Auch wenn ihr uns beide nicht mögt, ihn solltet ihr fürchten." Die des Republikaners hört sich aber kaum weniger negativ an: "Ihr wollt einen politischen Wandel – von Clinton werdet ihr in nie bekommen." Das Misstrauen gegen und die Wut auf Clinton sitze natürlich tief bei vielen Wählern. "Trump spricht genau die an, die meinen, dass man ihr nicht trauen kann. Davon aber waren diese Wähler schon überzeugt, bevor er Kandidat geworden ist."

Partei der Ängste

Doch bei aller mangelnden Beliebtheit Clintons, das grundsätzliche Problem, davon ist Ponnuru überzeugt, haben die Republikaner: "Die schlittern unaufhaltsam in eine Identitätskrise. Es sieht so aus, als ob sie zuletzt eine Partei für die weiße Arbeiterklasse und ihre Ängste werden, gut vergleichbar mit den Rechtspopulisten in Europa."

Das aber sei in einem Land wie den USA, in dem Wählergruppen wie die Latinos immer größer und wichtiger werden, keine politische Perspektive. Auch in der Politik der Partei würde sich das immer deutlicher abzeichnen: "Das Einzige, worauf man sich noch einigen kann, ist eine fundamentale Opposition gegen die Politik Obamas. Eine gemeinsame Haltung zu finden, die darüber hinausgeht, wird zunehmend schwieriger. Trump hat diese Spaltung vertieft, aber keiner soll sagen, dass die Partei genau davor nicht gewarnt worden ist."

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