Katalonien im Ausnahmezustand
"Raus mit den Besatzungskräften", skandieren Tausende empörte Menschen vor Gebäuden der katalanischen Regionalregierung. Für die Demonstranten ist die spanische Regierung am Mittwoch zu weit gegangen: Nachdem Einheiten der Guardia Civil in einer Lagerhalle 1,3 Millionen Flugblätter und 55.000 Briefe konfisziert hatten, stürmten Sicherheitskräfte Mittwochfrüh das katalanische Wirtschaftsministerium und nahmen 14 Politiker und Beamte fest – darunter Josep Maria Jove, den Wirtschaftssekretär der Region. Zusätzlich beschlagnahmten sie neun Millionen Wahlzettel, die für das Unabhängigkeitsreferendum Kataloniens am 1. Oktober gedacht waren.
Urnengang unzulässig
Die spanische Regierung will diese Abstimmung um jeden Preis verhindern. Dazu erhält sie Unterstützung vom Verfassungsgerichtshof in Madrid, der das Referendum für unzulässig erklärte. Das Gesetz, das das katalanische Parlament für das Referendum verabschiedet hatte, wurde ausgesetzt – erst nach dem Referendumstermin will sich der Gerichtshof weiter damit befassen. Auf dieser Basis ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen 712 katalanische Bürgermeister, die den Separatisten Räumlichkeiten für das Referendum angeboten hatten. 50 von ihnen haben bereits eine Vorladung bekommen – die Behörden kündigten an, dass jeder, der dieser Vorladung nicht nachkomme, festgenommen werde.
Gleichzeitig legte der spanische Finanzminister Cristobal Montoro die katalanische Staatskasse auf Eis, da sich das dortige Wirtschaftsministerium weigerte, seine Ausgaben offenzulegen.
Kataloniens Regierungschef Carles Puigdemont warf der Regierung vor, über die Region "de facto den Ausnahmezustand" verhängt zu haben. Die Empörung auf den Straßen ist groß: Kurz nach den Festnahmen versammelten sich Hunderte vor dem Gebäude des Wirtschaftsministeriums in Barcelona – im Laufe des Tages strömten immer mehr Menschen auf die Straße und versuchten, die Guardia Civil zu blockieren. Berichten zufolge kam es bereits zu einzelnen Handgemengen zwischen Demonstranten und Polizei.
Katalonien ist die bei weitem wirtschaftsstärkste Region Spaniens, eine Abspaltung würde laut Experten jedoch beide Seiten in die Krise stürzen: Spanien würde ein Fünftel seiner Wirtschaftsleistung verlieren, Katalonien hätte mit harten Handelsbeschränkungen zu rechnen.
Darüber hinaus ist es unklar, ob sich tatsächlich eine Mehrheit der Katalanen für die Unabhängigkeit aussprechen würde. Zwar ging ein ähnliches Referendum vor drei Jahren klar zugunsten der Abspaltung aus, jedoch beteiligten sich nur 40 Prozent der Bürger an der Abstimmung.
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