Fürst, Bohemien und politisches Naturtalent
Nennen Sie mich einfach Karel“ , fordert Karel Schwarzenberg den Moderator in seinem TV-Wahlkampfspot auf. Der blaublütige Präsidentschaftskandidat gibt sich betont kumpelhaft. Das kommt gut an. Anstecknadeln mit „Volím Karla“ (Ich wähle Karel) oder „Karel for President“ sind derzeit in Tschechien in. Er punktet mit einer großen Portion Selbstironie: „Das Sich-Produzieren der Kandidaten, mein eigenes inklusive, ist eigentlich eine Hetz.“
Für sein 75. Geburtstagsfest im Dezember, mitten im Wahlkampf, mietete er eine Straßenbahn in Brünn. Jeder konnte einsteigen und mit dem „Herrn Fürst“ auf Tuchfühlung gehen. In den Diskussionen, die er in einem leicht archaischen Tschechisch führt, scheut der Pfeifenraucher auch vor Kraftausdrücken nicht zurück.
In Wien Aristokrat
Die Volksnähe schwindet mit der geografischen Distanz zu Prag und mit der Nähe zum Palais Schwarzenberg in Wien. Aus Karel wird: Seine Durchlaucht und ein eher distanzierter Aristokrat.
Aufgewachsen in Südböhmen auf dem Familien-Schloss Orlík. „Während des Krieges haben wir im Park Pfaue gezüchtet, um sie zu essen, denn Hendl oder Schweine hätten wir der Wehrmacht abliefern müssen“, erinnert sich der Fürst.
Zu Hause mit dem Vater, der auch ein Oberst der tschechoslowakischen Armee war, wurde immer Tschechisch gesprochen. Die Schwarzenbergs hatten 1939 nicht für die Deutschen optiert, sondern die tschechische Nationalität behalten. Nach dem kommunistischen Putsch im Februar 1948 wurde die Familie enteignet und ging nach Österreich. Hinterlassen haben sie in Böhmen elf Schlösser und 30.000 Hektar Land. Außer der tschechoslowakischen Staatsbürgerschaft besaßen sie Schweizer Pässe, was ihnen das Leben im Exil erleichterte.
Schlechter Student
An seine Schuljahre erinnert sich Schwarzenberg nicht so gerne: „Ich war ein miserabler Student.“ Weder Jus noch Forstwirtschaft hat der Adelsspross abgeschlossen. Um so intensiver widmete er sich dem Studium des Lebens. Aus Geldmangel lernte er sogar kochen.
1960 änderte sich Schwarzenbergs Schicksal schlagartig. Aus dem Bettelstudenten wurde über Nacht ein Märchenprinz: Der österreichische Onkel Prinz Heinrich hatte keine männlichen Nachkommen und adoptierte den Neffen. Nach dessen Tod wurde Karl also zum Familienoberhaupt aller Schwarzenbergs mit allen Besitzungen.
Seine Interessen waren schon immer auf Geschichte und Politik gerichtet. Nach der Niederschlagung des Prager Frühlings im Jahr 1968 unterstützte der bekennende Katholik von Österreich aus Dissidenten in der Tschechoslowakei moralisch und finanziell. „Ich handelte nicht aus Nächstenliebe, sondern aus Hass gegen die Diktatoren“, sagte er kürzlich .
In den ersten Stunden der Samtenen Revolution 1989 kehrte er nach Prag zurück. Als der Dichter und Dissident Vaclav Havel Präsident wurde,betraute er seinen Freund Schwarzenberg mit der Leitung seiner Kanzlei. Eine echte Pionierarbeit, denn Havel und seine Truppe – die sich davor als Regimekritiker nur als Heizer oder Taxler ihren Unterhalt verdienen konnten – hatten keine Ahnung vom Amtieren, verfügten weder über Etikette noch entsprechende Kleidung. Bei seinem ersten Interview mit dem KURIER auf die Frage, was er verdiene, bekam er einen Lachkrampf und fragte seine Sekretärin: 11.000 Kronen, damals etwa 300 Schilling. Logiert hatte der fürstliche Beamte am Hradschin in einer Dachkammer.
Im Rahmen der Restitution bekam die Familie Schwarzenberg einige Schlösser zurück, die meisten in desolatem Zustand. Schloss Orlík diente während der KP-Ära den Bonzen als Absteige für private Orgien. In Čimelice war eine Schule untergebracht.
Karel zog ein neues Domizil vor und kaufte sich das kleine barocke Jagdschloss Dřevíč bei Prag, das er seine Chalupa (Hütte) nennt. In einem seiner Prager Stadtpalais bewohnt er eine Dachwohnung. Und wenn er gewählt wird, zieht er auf den Hradschin, um „zu Fuß in die Arbeit gehen zu können“.
Auf Dřevíč züchtet er Gänse, Ziegen und Bienen für den Eigenbedarf. Er liebt deftige Kost – Speck und Presswurst, Bier und alles, was ihm seine Ärzte nach einer Herzoperation verbieten.
Sein Privatleben verlief nicht weniger turbulent. Standesgemäß heiratete er Gräfin Therese Hardegg. Als bekannt wurde, dass ein Kind nicht von Karl war, folgte die Scheidung. Auch der Fürst geriet in die Klatschspalten, so etwa mit seiner Beziehung zu der viel jüngeren ungarischen Gräfin Zita Pallavicini.
Auf die Frage, warum er seine erste Frau 2008 nach 20 Jahren noch einmal heiratete, gab er zur Antwort: „Manche Probleme lösen sich im Alter von selbst.“ Auch heute ist er noch gerne in weiblicher Gesellschaft. Künstlerfreunde attestieren ihm guten Geschmack, was Frauen betrifft. „Ich weiß nicht, ob ich so anziehend bin, da müssen Sie die Mädls fragen. Dass mich die Frauen so lieben? Ich hoffe und warte auf einen Beweis“, sagte er in einem Wahlgespräch.
Neben der Liebe ist es offensichtlich auch die Politik, die ihm Kraft verleiht – und mehr interessiert als die Verwaltung seiner Latifundien. Er gründete das liberale Wochenblatt Respekt. 2004 kandidierte er für den tschechischen Senat, die obere Parlamentskammer. Den – erfolgreichen – Wahlkampf führte er von einem rosa Panzer aus. Die Grünen entsandten ihn als Parteilosen ins Außenministerium. Dann gründete er seine eigene Partei, die konservative TOP 09, „weil ihm die arrivierte Politik auf den Arsch ging“, wie er auf einer Wahlveranstaltung rief.
Seine Fans verzeihen ihm seine Schwächen. „Es ist bekannt, dass ich manchmal nuschle, sodass mich sogar meine eigene Familie nicht versteht. Aber meine politischen Botschaften sind klar.“ „Ich nicke manchmal im Parlament ein, wenn die Reden fad sind. Im Wahlkampf bin ich noch nie eingeschlafen.“
Schwarzenbergs Familie hatte bis jetzt an der Polit-Karriere ihres Oberhauptes wenig Interesse gezeigt. Die Frau, die seit 27 Jahren hinter dem Tausendsassa steht, sein Chaos koordiniert und die Bastion in Wien hält, ist Gerda Neudeck, die Direktorin der Schwarzenberg’schen Zentralkanzlei. Sie tippte die in der Tschechoslowakei verbotenen Schriften ab, die in den Westen geschmuggelt worden waren. Schleppte in Koffern mit der Bahn Lebensmittel und Fax-Papier für die Dissidenten nach Prag. Später Anzüge für Vaclav Havel, die das künftige Staatsoberhaupt in seiner Küche anprobierte. Als sie bemerkte, dass eine Kommunikation mit der Prager Burg nur in Tschechisch möglich ist, erlernte sie diese slawische Sprache in Wort und Schrift. Einige Saisonen lang führte sie auch noch das Schwarzenberg’sche Gasthaus im Schloss Orlík. Über den Schreibtisch der begnadeten Networkerin gehen bis jetzt alle Termine. Sollte sie einmal Memoiren schreiben, müsste das Werk auf der Bestsellerliste landen.
Der Aufzug im Seitentrakt des Palais Schwarzenberg in Wien führt direkt in das Speisezimmer der „Fürstin“. Die 72-jährige Ehefrau von Karel Schwarzenberg sitzt am Esstisch. Auf dem Schoß ihr jüngster Enkelsohn, Laszlo (1). „Ich hatte im Vorjahr eine schwere Operation und erhole mich nur langsam. Es ist nicht so wie vorher. Das Gehen ist mühsam.“
Vor 20 Jahren war sie das letzte Mal im Winter in Wien. Den verbringt sie sonst in Kenia, weil die Schmerzen, die sie seit ihrem schweren Skiunfall 1992 hat, in der Kälte manchmal unerträglich sind.
Nächste Woche wird die ganze Familie in Prag sein. „Es ist ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Wenn er gewinnt, werden wir feiern, wenn er verliert, werden wir ihn trösten.“ Vor dem Wahlkampf kam ihr Mann „eventually“ ein, zwei Mal im Monat nach Wien. Sollte er Präsident werden, würde sie öfters in Prag sein – „und auch endlich Tschechisch lernen“. Therese Schwarzenberg freut sich für ihren Mann. „Es ist sein Lebenswerk und wir respektieren das alle. Er war immer ein Homo politicus.“ Hätte der Mascherlträger keine politischen Ämter mehr, „würde er krank werden. Die Politik ist seine große Leidenschaft, sein Lebenselixier.“
Amüsiert beobachtet sie die jungen, tschechischen Fans, die sich Karel-Bilder auf den nackten Oberkörper kleben. „Er schmunzelt darüber, ist vielleicht geschmeichelt.“ Hat Karel Sexappeal? „Er ist ein ganz normaler Mann. Natürlich hat er Sex gerne. No, na. Ich finde ihn schon sehr anziehend, absolut.“
Chaot
Dass auf seinem Schreibtisch Chaos, in dem er sich zurechtfindet, herrscht, dass er unpünktlich ist und wegen Kleinigkeiten zornig wird, nervt sie zwar. „Aber man kann einen 75-Jährigen nicht mehr ändern.“ Sein Nuscheln, das wie aus Zauberhand im Wahlkampf verschwand, erklärt sie so: „Wenn ihn etwas nicht interessiert, dann hört er nichts, sagt er nichts und spricht, egal in welcher Sprache, undeutlich – das sind halt die psychosomatischen Reaktionen.“
Wenn sie ihren Mann mit einem Tier vergleichen würde, „wäre er ein Bär, ganz kuschelig, an den man sich anlehnen kann und der zu hundert Prozent zu uns steht.“
Vergangenheit
Traurig wird sie, wenn man sie über die NSDAP-Vergangenheit ihres Vaters fragt, die in den tschechischen Medien aufgewärmt wird. „Wir sind gegen Sippenhaftung. Die Kinder können ja nichts dafür, was die Eltern angestellt haben“, sagt „Thesi“ Schwarzenberg, die Stimme bricht, Tränen rinnen ihr über die Wange. „Mein Vater hat selten über die NS-Zeit geredet. Wenn, dann haben wir ordentlich gestritten.“
Die Beziehung zwischen Karl, der politisch auf der anderen Seite stand, und ihrem Vater sei sehr gespannt gewesen. „Man war distanziert und höflich.“
Auf die sechs Enkelkinder angesprochen – das siebente von ihrem jüngsten Sohn Witti ist unterwegs – strahlt sie wieder und greift zum Hochzeitsalbum ihres älteren Sohnes Aki(45) und Diana (40). Sehnlichst wartet man auf einen männlichen Nachkommen des Paares. Sonst wird der älteste Sohn von „Kary“ Schwarzenbergs Bruder Friedrich einmal der Erbprinz sein.
KURIER.at/auslandTherese Schwarzenberg im Video-Interview über den Privatmenschen Karl Schwarzenberg.
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