Lange sah es so aus, als käme man nicht an ihm vorbei. 2018 war er der häufigste Gast in deutschen Talkshows. Und fiel dort auf, dass er anders war als die üblichen Politiker: intellektuell, nachdenklich, ungewöhnlich in der Sprache. „Alle Politik ist Fragment“, sagt er in einem Moment. Und findet im nächsten etwas „krass“ oder „geil“.
Einer, der seine Hemden selber bügelt, dem man aber zutraut, bis in die Morgenstunden mit Fischern in der Kneipe einen zu heben. Doch der Hype um Habeck ist vorbei. Wie es so kam, ist schwer zu sagen – zu blumige Worte, zu wenig Wissen, als er etwa in einem Interview die Pendlerpauschale falsch berechnete. „Bisweilen hält das Publikum jetzt schon die Luft an, wenn Habeck – wie am Montag geschehen – versucht, die Impfregelung für Hausärzte zu erklären“, schrieb die Süddeutsche Zeitung.
Der eine überschätzt, die andere unterschätzt? Vielleicht von den Medien. Doch Annalena Baerbock zeigte es allen besser. Vor allem, dass sie „nicht die Frau an Roberts Seite“ ist – wie sie in ihrer Bewerbungsrede am Grünen-Parteitag 2018 ankündigte. Zwei Jahre später wird sie mit 97,1 Prozent wiedergewählt, er bekommt 90,4 Prozent.
Was für ihn spreche, ist seine Regierungserfahrung als Umweltminister in Schleswig-Holstein – da wäre Baerbock im Nachteil, meint ein Beobachter. Von null auf Bundeskanzlerin halte er für gewagt. Doch da diesmal keine mehr antreten wird, wäre dies auch eine Chance – die einzige Frau in einer Runde mittelalter Männer. Noch dazu forsch, jung und thematisch bestens vorbereitet. Damit fiel die 39-Jährige immer wieder auf. Egal, ob es um Außenpolitik oder Atomkraft geht. Sie hat Politikwissenschaft und Völkerrecht an der London School of Economics studiert, hat einen Master in Public International Law in der Tasche. Und scheut weder Treffen mit Kohlekumpels noch Auftritte vor Konzernbossen wie am Tag der Deutschen Wirtschaft, wo ihr mehr Leute zujubelten als dem liberalen FDP-Chef Christian Lindner. Zudem ist die Niedersächsin bestens vernetzt, hat seit 2013 ein Mandat im Bundestag inne.
Die K-Frage wollen die Grünen zwischen Ostern und Pfingsten klären. Genauso wie CDU/CSU, die unter der Maskenaffäre und Wahlniederlagen leiden, in Umfragen auf unter 30 Prozent gerutscht sind. Für die Grünen, die vor der SPD auf Platz zwei liegen, könnte auch hier gelten: „Alles ist drin“.
S. Lumetsberger, Berlin
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