Johnson empfängt Biden und spürt einen „Hauch von frischer Luft“
Sie trennt der mächtige Atlantik, aber künftig wollen die USA und Großbritannien wieder ein bisschen näher zusammenrücken. Pünktlich vor dem 80-Jahr-Jubiläum der Atlantik-Charta, der Grundlage für die Beziehung der beiden Weltmächte, haben US-Präsident Joe Biden und der britische Premier Boris Johnson das Bündnis mit ihrem ersten Treffen am Donnerstag im englischen Cornwall erneuert.
Dem ersten Auslandsbesuch des neuen US-Präsidenten wurde global dementsprechend viel Aufmerksamkeit geschenkt. Im Vorfeld des G7-Gipfels heute, Freitag, standen bei Biden und Gastgeber Johnson diese Themen auf der Tagesordnung.
Atlantik-Charta
Basis für den Schulterschluss ist eine „neue Atlantik-Charta“. Sie sieht die Kooperation in acht Bereichen vor, darunter auch Klimaschutz, und unterstreicht die „spezielle Beziehung“ der Länder. Johnson mag die Bezeichnung angeblich nicht. Der Churchill-Fan, der eine Biografie über Winston Churchill verfasst hat, darf sich jetzt aber freuen, in dessen Fußstapfen zu treten. Die Original-Charta beschlossen sein Idol und Franklin D. Roosevelt im August 1941. „Ich glaube nicht, dass es eine Übertreibung ist, wenn ich sage, dass die Beziehung unserer Länder eine massive strategische Wichtigkeit für die Sicherheit und den Wohlstand auf dem Planeten hat“, sagte Johnson, der über das erste Treffen mit Biden sagte: „Es ist ein Hauch von frischer Luft.“ Das ist insofern bemerkenswert, da der Brite ein durchaus gutes Verhältnis mit Biden-Vorgänger Donald Trump pflegte.
Globaler Impfplan
Beim Gespräch ging es auch um den Corona-Kampf. Beiden Ländern wird vorgeworfen – anders als etwa die EU – bisher kaum Impfstoff zu exportieren. Bidens Team verkündete nun, die USA wollten heuer und 2022 insgesamt 500 Millionen Dosen des Vakzins von Biontech an ärmere Staaten spenden. Johnson will alle G7-Staaten zur Spende von einer Milliarde Dosen bringen.
Reform der WHO
Berichten zufolge wollen Biden und Johnson beim G7-Gipfel das Fundament für ein gestärktes globales Gesundheitssystem legen, um künftigen Pandemien vorzubeugen. Im Zentrum: eine „reformierte“ Weltgesundheitsorganisation (WHO). Großbritannien und die USA planen auch den Ausbau gemeinsamer Arbeit an Genomsequenzierung und der Bewertung der unterschiedlichen Corona-Varianten.
Brexit-Folgen
Dunkle Wolken wie gestern auch an der englischen Küste dürften auch bei den Gesprächsthemen Brexit und Nordirland aufgezogen sein. Laut Bidens nationalem Sicherheitsberater waren bisherige Telefonate „herzlich“ und „konstruktiv“. Aber Experten und Medien waren sich einig, dass Biden – stolz auf seine irischen Wurzeln – das Treffen mit Johnson dazu nutzen würde, ihn deutlich vor dem einseitigen Bruch des Brexit-Abkommens und neuen Konflikten in Nordirland zu warnen. Biden habe das nicht getan, betonte Johnson nach dem Gespräch, fügte aber an: Wir beide wissen, wie wichtig diese Thematik ist.“
Reisekorridor
Eine Initiative, auf die sich die beiden Männer einigten, ist denn auch der Neustart des Reiseverkehrs zwischen den USA und Großbritannien – „so bald wie möglich“. Im März 2020 hatte Bidens Vorgänger, Donald Trump, die meisten Besuche von Nicht-Staatsbürgern aus Großbritannien unterbunden. „Vielen Menschen ist es seit mehr als 400 Tagen untersagt, Familie und Freunde zu besuchen“, betonte die Regierung in London. „Vor der Pandemie besuchten jedes Jahr mehr als fünf Millionen Briten die USA und über 4,5 Millionen Amerikaner Großbritannien – mehr als jedes andere Land.“ Eine Planungsgruppe soll Optionen zur Wiedereröffnung der Reisewege erarbeiten, ein konkretes Ergebnis konnten die beiden gestern noch nicht verkünden.
Verteidigungspartner
Die beiden NATO-Partner sprachen selbstverständlich auch über Sicherheitsfragen. Sie wälzten Pläne zur möglichen Vertiefung der Sicherheits- und Verteidigungsbeziehungen: Über den Umgang mit China und Russland hinaus wollen Biden und Johnson in Zukunft den Kampf gegen neue Gefahren, etwa aus dem Weltraum und Cyberspace, ins Visier nehmen und verstärkt gegen Online- und Finanz-Kriminalität vorgehen.
Auch ein „wegweisendes“ Technologieabkommen wollen Biden und Johnson bereits 2022 unterzeichnen. Ziel sei, „Barrieren“ zu verringern und „eine neue Ära der strategischen Zusammenarbeit“ einzuleiten. Künstliche Intelligenz und Quantentechnologie hätten das Potenzial, „unsere Lebensweise zu verändern“.
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