Es ist vor allem auch die Figur Mélenchon, die die linken Geister scheidet. LFI-Fraktionsvorsitzende Mathilde Panot sprach sich für ihn als Regierungschef aus: „Er ist derjenige, der der Linken das Siegen wieder beigebracht hat.“ Er selbst versicherte, er sei „niemals das Problem, sondern immer Teil der Lösung“.
Das sehen die meisten Partner anders. Es brauche eine Persönlichkeit, die die Lager zusammenführen könnte, sagte die Chefin der französischen Grünen, Marine Tondelier. Der Sozialisten-Chef Olivier Faure bestätigte, ein künftiger linker Premierminister dürfe nicht spalten. Beide meinten dasselbe: Der 72-jährige Polterer sei ungeeignet. 2008 hat er sich mit den Sozialisten überworfen, denen er angehörte, und seine eigene Linkspartei gegründet.
Identifikationsfigur und Putin-Nähe
Zwar gilt der charismatische Redner und dreimalige Präsidentschaftskandidat als Identifikationsfigur, der besonders junge Leute anspricht. Zugleich schreckt er gemäßigte Linke durch seine harschen Töne, den autoritären Führungsstil in seiner Partei, in der seine Kritiker abgedrängt wurden, und seine EU-Skepsis ab. Sich von Kremlchef Wladimir Putin zu distanzieren, fiel ihm schwer; auch gegen Deutschland schoss er immer wieder scharf, etwa in seinem 2015 erschienen Buch „Bismarck’s Hering“.
Hatte Mélenchon zuletzt kein Amt mehr inne, so gilt er als verantwortlich für die umstrittene Strategie der LFI-Politiker, für Aufruhr in der französischen Nationalversammlung zu sorgen. Dort wurde herumgebrüllt und gepöbelt, ein Abgeordneter erhielt im Juni eine Sanktion weil er in einer Sitzung die palästinensische Flagge hochhielt.
Antisemitismus-Vorwürfe
Besonders der Vorwurf des Antisemitismus schadet Mélenchon und seiner Truppe. Im EU-Wahlkampf setzte LFI auf den Nahost-Krieg als Hauptthema und zielte dabei mit Erfolg auf die Stimmen französischer Muslime, vor allem in den Vororten.
In einer ersten Reaktion auf den Hamas-Anschlag auf Israel am 7. Oktober äußerte LFI kein Mitgefühl für die israelischen Opfer und verweigerte es, von „Terror“ zu sprechen; hochrangige Parteimitglieder bezeichneten die Hamas als „Widerstandsbewegung“. Mélenchon verteidigte sich, er habe sein Leben lang gegen Rassismus und Antisemitismus gekämpft. Zugleich beschuldigte er Politiker, die sich um eine ausgeglichene Haltung bemühten, sie billigten „den Völkermord in Gaza“. Am Abend der ersten Runde der Parlamentswahl sprach er ausgerechnet neben Rima Hassan, die ein Palästinensertuch um die Schultern trug. Die frisch gewählte LFI-Europapolitikerin gilt durch ihr pro-palästinensisches Engagement als Symbol und ist durch ihre Aussagen umstritten.
Durch seine Provokationen hat sich Mélenchon für viele selbst disqualifiziert. Und auch über die französischen Grenzen hinaus ist er verantwortlich für den beunruhigenden Ruf der Neuen Volksfront, der er aktuell mehr schadet als nutzt. Denn sie ist nicht so radikal wie jener Mann, der sie so gerne anführen würde.
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