Warum Frankreichs radikale Rechte doch nicht verloren hat

Marine Le Pen vor einem Mikrofon
Dass Marine Le Pens Rassemblement National jetzt nicht regieren wird, sollte nicht darüber hinwegtäuschen: Die Rechtspopulisten sind so stark wie nie zuvor.
Ingrid Steiner-Gashi

Ingrid Steiner-Gashi

"Unser Sieg ist nur aufgeschoben.“ Es kostete Marine Le Pen am Wahlabend einige Mühe, sich ihre Enttäuschung nicht ansehen zu lassen: Nur der dritte Platz bei den französischen Parlamentswahlen – und das, nachdem ihrem rechtspopulistischen Rassemblement National (RN) gleichsam bis ein paar Wimpernschläge vor Verkündung der ersten Hochrechnungen ein nie dagewesener Triumph prognostiziert worden war. 

Ein rechtsextremer Premier in Frankreich? Dieses Mal wird es nicht so weit kommen – aber nicht, weil die Franzosen  eine unerschütterliche politische Brandmauer gegen den erstarkten Rechtsextremismus im Land errichten wollten  – sondern vor allem wegen der Besonderheit des französischen Wahlrechts. 

Denn hätte die Wahl  etwa nach österreichischem Recht stattgefunden, böte sich ein ganz anderes Bild: 37 Prozent holte Le  Pens Rassemblement National – er wäre damit klarer Wahlsieger. Nahezu gleichauf deutlich abgeschlagen, lägen das Linksbündnis Neue Volksfront (26%) und das Bündnis um Präsident Emanuel Macron (25%). 

Weil aber die Grande Nation wahltechnisch anders tickt, ziehen die extremen Rechten nur als dritte Kraft in die französische Nationalversammlung ein, obgleich sie ihre Mandatszahl von 89 auf 142 massiv ausbauen konnten. 

Zerbrechliches Bündnis

Fazit: Gewonnen hat bei dieser Wahl, die von Präsident Macron völlig unnötig vom Zaum gebrochen wurde, niemand: Nicht die schon vorab siegestrunkenen Rechtsextremen; nicht Macron, der jetzt gegenüber dem Parlament gewaltig Federn lassen muss und  schwächer dasteht als zuvor, und auch nicht der Überraschungserste, die Nationale Volksfront.

Dieses Bündnis, angeführt vom Radikallinken und allerhöchst koalitionsunfähigen Jean-Luc Mélenchon, wird wahrscheinlich zerfallen, noch ehe das neue Parament zu seiner ersten Sitzung zusammentritt. 

Und ebenso wenig gewonnen hat Europa, das es nun mit einem viel schwächeren Frankreich zu tun hat: Wie immer die künftige Regierung in Paris ausfallen wird – sie wird instabiler, fragiler, zerstrittener und möglicherweise kaum handlungsfähig sein – und damit auch das Zusammenspiel auf europäischer Ebene in Brüssel erschweren.

Man kann also nur sagen: „Non merci; Monsieur Macron“. Was sich der Präsident mit seinen überfallsartig vorgezogenen Wahlen erhofft hatte, nämlich die radikale Rechte entscheidend zu schwächen, ist schief gegangen. 

Regieren werden die Le Penisten zwar vorerst nicht, doch sie werden im Parlament alles daran setzen, die künftige Regierung auflaufen zu lassen. Und darauf hoffen, dass ihr Potenzial weiter wächst. So wie es seit den vergangenen zwanzig Jahren in kleinen Dosen, aber unaufhörlich gewachsen ist. Immer weiter – bis  sie auch das Präsidentenamt erobern – nach Wunsch Marine Le Pens bei der Präsidentenkür in drei Jahren.

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