Israel korrigiert Zahl der Toten durch Hamas-Angriff auf 1.200
Die israelische Regierung hat ihre Angaben zur Zahl der beim Hamas-Angriff auf Israel am 7. Oktober getöteten Menschen nach unten korrigiert. Bei dem Angriff seien etwa 1.200 Menschen in Israel getötet worden, nicht 1.400 wie bisher vermutet, sagte Außenministeriumssprecher Lior Haiat am Freitag. Bei vielen der nach dem Angriff gefundenen und zunächst nicht identifizierten Leichen handle es sich offenbar um die von Hamas-Kämpfern, erklärte Haiat zur Begründung.
Eine Explosion am Shifa-Krankenhaus im Gazastreifen ist indes nach Darstellung der israelischen Streitkräfte (IDF) auf eine Rakete zurückzuführen, die Extremistengruppen von innerhalb des Palästinenser-Gebietes abgefeuert hatten. Das Ziel der Rakete seien israelische Soldaten auf einem Einsatz in der Umgebung gewesen. Laut der radikalislamischen Hamas wurden bei der Explosion 13 Menschen getötet und Dutzende verletzt.
In das Krankenhaus wurden nach Angaben seines Direktors "nach dem Beschuss einer Schule etwa 50 Tote" gebracht worden. Die Nachrichtenagentur AFP konnte die Angaben zunächst nicht verifizieren. Das Medienbüro der von der radikalislamischen Hamas beherrschten Regierung im Gazastreifen erklärte seinerseits, dass Israel "viele Panzer in etwa 200 Meter Entfernung von der Al-Burak-Schule positioniert" habe. Zudem seien in dem Stadtviertel Al-Nasr, in dem die Schule liegt, vier Krankenhäuser eingekreist worden.
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Die israelische Armee hatte am Donnerstag heftige Kämpfe in der Nähe des Al-Shifa-Krankenhauses gemeldet und angegeben, "mehr als 50 Terroristen" getötet und Tunneleingänge, Werkstätten für Panzerabwehrraketen und Luftabwehrstellungen zerstört zu haben. Unter den getöteten Terroristen seien auch am Massaker in Israel beteiligte Personen, teilte das Militär am Freitag mit. Israel hatte der Hamas wiederholt vorgeworfen, insbesondere das Al-Shifa-Krankenhaus als Versteck für ihre Kämpfer und zur Koordination ihrer Angriffe zu nutzen, was die Palästinenserorganisation bestreitet.
Unterdessen wurden 101 Mitarbeiter des Hilfswerks der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge (UNWRA) seit dem wiederaufgeflammten Nahost-Konflikt getötet. Das teilte UNWRA-Chef Philippe Lazzarini am Freitag via Kurznachrichtendienst X (ehemals Twitter) mit. "Verheerend. Über 100 UNRWA-Mitarbeiter wurden innerhalb eines Monats getötet. Eltern, Lehrer, Krankenschwestern, Ärzte, Hilfspersonal. UNRWA trauert, die Palästinenser trauern, die Israelis trauern."
Er rief erneut zu einer humanitären Feuerpause auf. Mitarbeiter der Vereinten Nationen planen für Montag eine Minute der Stille, um der Getöteten zu gedenken. Noch nie sind so viele UN-Hilfskräfte in einem Konflikt getötet worden. 2011 waren es in Nigeria 46, als ein Selbstmord-Attentäter ein Büro in Abuja ins Visier genommen hatte.
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Mehr als 100.000 Bewohner verließen indes nach israelischen Angaben in den vergangenen zwei Tagen den Norden des Gazastreifens in Richtung Süden. In dem nördlichen Teil des Palästinenser-Gebietes liegt die Stadt Gaza, in der die israelische Armee weit vorgedrungen sei, sagt ein Militärsprecher. Israel hat die Bevölkerung zur Räumung des Nordens aufgefordert.
Kontrolle oder keine Kontrolle über Gaza?
Israels Militär soll nach Ansicht von Regierungschef Benjamin Netanjahu nach dem Krieg die Kontrolle über den Gazastreifen haben. Die israelische Armee werde "die Kontrolle über den Streifen behalten, wir werden sie nicht internationalen Kräften überlassen", sagte Netanjahu Medienberichten zufolge am Freitag bei einem Treffen mit Vertretern israelischer Grenzstädte.
Zuvor hatte Netanjahu in einem Interview dem US-Sender Fox News gesagt, Israel wolle nicht versuchen, den Gazastreifen zu erobern, zu regieren oder zu besetzen. "Aber wir wollen ihm und uns eine bessere Zukunft im gesamten Nahen Osten geben. Und dazu muss die Hamas besiegt werden." Er habe keinen Zeitplan festgelegt, "denn es kann mehr Zeit in Anspruch nehmen", sagte Netanjahu. Der Gazastreifen müsse entmilitarisiert, de-radikalisiert und wiederaufgebaut werden.
Ein ranghoher Berater Netanjahus hatte vergangenen Woche gesagt, dass Israel keine anhaltende Besetzung des Gebietes anstrebe. Es müsse aber eine Sicherheitspräsenz Israels geben, damit das Militär je nach Bedrohungslage für Einsätze hineingehen könne, sagte Mark Regev dem US-Sender CNN.
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Die Palästinensische Autonomiebehörde zeigt sich unterdessen bereit, im Gazastreifen nach Ende des Krieges unter Bedingungen Regierungsverantwortung zu übernehmen. Voraussetzung sei eine umfassende politische Lösung, die auch das Westjordanland und Ost-Jerusalem umfasst, erklärte Palästinenser-Präsident Mahmoud Abbas am Freitag.
Die Autonomiebehörde war 2007 von Hamas aus dem Gazastreifen vertreiben worden. Sie regiert seitdem eingeschränkt im Westjordanland, das teilweise von Israel besetzt ist und wo Israel seine Siedlungen trotz internationaler Kritik ausgebaut hat.
Große Teile der palästinensischen Bevölkerung fordern jedoch Abbas Rücktritt. Der 87-Jährige ist seit mehr als 18 Jahren im Amt und nicht mehr durch Wahlen legitimiert. Sollte seine Autonomiebehörde mit Hilfe Israels die Kontrolle im Gazastreifen übernehmen, wäre das für viele ein Affront.
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Eine Zwei-Staaten-Lösung wird aber von den meisten Mitgliedern der gegenwärtigen, rechtsreligiösen Regierung in Israel als Gefahr für den jüdischen Staat angesehen und daher abgelehnt. Es gibt auch rechtsextreme Minister, die eine Annexion des Westjordanland und des Gazastreifens anstreben.
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