Muslim ist Israels Königsmacher bei der Regierungsbildung
Mansur Abbas sieht älter aus als seine 47 Jahre, sein Äußeres entspricht ganz und gar nicht dem Slimfit-Ideal vieler – und dennoch: Er ist der neue Königsmacher der israelischen Politik – und er ist ein Ausnahmepolitiker. Einer ohne Selbstdarstellung, ohne Show. Er gibt sich altbacken, steht aber für ein neues Up-to-date der arabischen Politik in Israel. Kurz: Abbas ist so ziemlich das Gegenteil von Benjamin Netanjahu.
Eines aber hat Abbas mit Israels Premier gemeinsam: den politischen Instinkt.
Deutlich zu sehen in der Wahlnacht, als Abbas gegen alle negativen Erstprognosen und höhnisch lachende Moderatoren selbstsicher blieb. „Lassen Sie sich nicht täuschen. Wir sind drinnen.“ Fünf Stunden später saß seine Raam-Liste mit vier Mandaten in der Knesset.
Und so kann seine Partei beiden Blöcken zur Mehrheit verhelfen. Die Meinungsforscher waren einmal mehr düpiert und der gegenwärtig in Haifa eingeschriebene Student der Politischen Wissenschaften ist der neue Star.
Bereits als 17-Jähriger war er Schüler des legendären Sheikh Abdallah Nimr Darwisch, Gründer der „Islamischen Bewegung in Israel“. Vom Kommunisten wandelte sich Darwisch aber zum muslimischen Geistlichen. Als gewaltbereiter Islamist saß er im Gefängnis, wo er „neue islamische Wege“ suchte. Das damit verbundene Abschwören von Gewalt, mögen viele als „Taqiye“ (gezielte Täuschung) sehen. Darwisch behielt seinen Weg bei, was 1995 zur Spaltung seiner Bewegung führte.
Abbas wiederum studierte weiter den Koran, aber auch Zahnmedizin. Gleichzeitig war er Sprecher der arabischen Studenten an der Hebräischen Universität.
An Charisma mag es fehlen, nicht aber an Energie. Schnell im Lernen, verlor er keineswegs die Geduld. Sein Weg in die Politik verlief nicht rasant, aber beständig. Auch seine Partei brauchte Zeit, seine Fähigkeiten zu erkennen. Als Raam-Sekretär war er 2018 maßgeblich an der Wiederbelebung der Vereinten Arabischen Liste beteiligt. Diese zog 2019 mit 13 Sitzen ins Parlament ein. Ein Rekord für die „Spagat“-Vereinigung zwischen Kommunisten, Sozialisten, säkularen und muslimischen Konservativen.
Netanjahu erkannte früh den Neuansatz der frischen Kraft. Beide Politiker stehen sich ideologisch näher als zu vermuten. „Israels rechte Politiker haben Frieden geschlossen“, meinte Mansur Abbas schon vor einigen Monaten.
In der Tat: Netanjahu ist konservativ, Abbas ist erzkonservativ. Letzterer ist für die Polygamie für Muslime, wie sie der Koran erlaubt. Und er lehnt die Gleichberechtigung von Homosexuellen nicht nur ab, er fordert sogar „Heilungstherapien“ etwa für schwule Minderjährige. „Zumindest was Schwule angeht, könnte er mit den homophoben Rassisten im Rechtsblock einer Meinung sein“, befand Radio-Moderator Ran Binjamini.
"Für uns Araber"
Erzkonservativ – aber offen für Angebote von allen Seiten. So steht Abbas für einen Neuansatz arabischer Politik in Israel, der in der Kommunalpolitik schon seit Langem immer deutlicher spürbar wurde. Die jüngste Annäherung an Netanjahu aber wurde von seinen Fraktionsgenossen als Verrat beschimpft.
Mansur Abbas blieb selbstsicher lächelnd: „Ihr glaubt, Netanjahu hat mich in seiner kleinen Tasche? Dabei habe ich was für uns Araber rausgeholt. Ihr steckt seit Jahrzehnten in der kleinen Tasche der Linken, ohne dass die dafür etwas hergeben musste.“
Dieser politische Ansatz ist erzkonservativ – und revolutionär. Mögen viele Araber in Israel seine konservativen Ansichten ablehnen, immer mehr begrüßen freilich diesen Neuansatz mit aktiver Einmischung in Israels Politik. Allerdings nur dann, wenn der politische Preis stimmt.
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