Israel wappnet sich für Gegenschlag: "Massiver iranischer Angriff wird erwartet"

Leere Straßen in Jerusalem
Keine einzige iranische Drohne hat bis Freitagnachmittag Israel erreicht. Doch die Straßen sind leer, Schulen geschlossen - die Sorge vor einem Raketenhagel aus dem Iran ist groß.

"Krieg ist nicht umsonst", warnte am Freitagmorgen Israels Premier Benjamin Netanjahu in einer ersten Stellungnahme nach dem Angriff der israelischen Luftstreitkräfte im Iran. „Es war ein geglückter Eröffnungsschlag, doch kann es sein, dass wir jetzt noch lange in den Schutzräumen ausharren müssen.“ Deshalb scheuchte der Zivilschutz Israels Bürger noch um drei Uhr morgens mit einem landesweiten Alarm aus den Betten. Gleich zu Beginn der ersten Bombenabwürfe im Iran und ohne dass der Iran auch nur eine Rakete gegen Israel abgeschossen hätte. Sicher ist eben sicher. Es kam dann aber ganz anders.

So kam der iranische Gegenangriff erst nach langem Warten um sieben Uhr. „Über 100 Marschflugkörper sind im Anflug auf Israel“, hieß es im Radio und den digitalen Textnachrichten des Zivilschutzes. Im Mai und Oktober 2024 hatte die iranische Armee mehr Raketen gegen Israel abgeschossen. Zwischen 4 und 6 Stunden brauchen die langsamen Lenkraketen für ihren Anflug.

Im israelischen Fernsehen sind erste Bilder der anfliegenden Flugkörper zu sehen. Noch sind sie im irakischen Luftraum. Zwei Stunden später über Jordanien. Fast schon in Israel. Im Radio wiederholen sich seit dem nächtlichen Einschlag der ersten Bombe im Iran ständig die Warnaufrufe: „In kurzer Zeit wird ein massiver iranischer Angriff erwartet. Alle Bürger sind aufgerufen, sich entsprechend vorzubereiten und sich ständig in Nähe der Schutzräume aufzuhalten.“ Und dann ...

Alle Drohnen abgeschossen

... am Vormittag auf einmal die Entwarnung: „Bis auf Widerruf ist der Aufenthalt in Nähe der Schutzräume nicht mehr verpflichtend.“ Gerade noch flogen die iranischen Marschflugkörper doch über Jordanien? Die Radio-Moderatoren beschweren sich über die widersprüchlichen Aufrufe des Zivilschutzes. Dessen Sprecherin hat Schwierigkeiten die neue Lage zu erklären. Sie ist offensichtlich nicht autorisiert, die einfachste und verständlichste Erklärung abzugeben: Noch außerhalb des israelischen Luftraums wurden alle feindlichen Flugkörper abgeschossen. 

Eine Art Lockdown in Israel

Doch bleibt der am Morgen ausgerufene Kriegszustand weiter bestehen: Die Straßen sind spürbar leerer als sonst. Wer keinen unverzichtbaren Arbeitsplatz hat, bleibt Zuhause. Die Schulen sind geschlossen, der öffentliche Nahverkehr rollt ohnehin im Wochenendmodus. Wie auch die Polykliniken der Krankenkassen. Alle Krankenhäuser verlegen ihre Patienten in Bunker, zum Teil umgestaltete Tiefgaragen. Der Krieg im Krieg ist aber noch nicht beendet. Noch hat der Iran viele andere Raketen. Es drohen auch Terrorangriffe auf israelische Ziele im Ausland.

Gegen Mittag dann die Nachricht: Alle am Angriff beteiligten Piloten sind sicher in Israel gelandet. 200 Kampfflugzeuge waren am Angriff auf Hunderte Ziele überall im Iran beteiligt. Nicht in einer Angriffswelle, sondern in fünf. Über Jahre hatte Israels Mossad-Geheimdienst die oft tief verbunkerten Ziele ausspioniert. 

Noch am Morgen lässt die Militärzensur eine überraschende Meldung zu: Seit Wochen war auch das Spezialkommando des Mossad am Angriff beteiligt. In einem Camp nahe Teheran. Kurz vor den Angriffen schaltete das Kommando mit Hilfe von Drohnen ganze Luftabwehrstellungen aus.

Israel launches strikes on Iran over ‘nuclear program’ threat

Israelische Angriffe auf Ziele mitten in Teheran

Iran als "Schwellenstaat"

„So eine Mission lässt sich nur mit den Pager-Explosionen 2024 während des Krieges gegen die Hisbollah-Miliz im Libanon vergleichen,“ erklärt der ehemalige Mossad-Vizechef Ram Ben-Barak. Er sitzt heute als Abgeordneter der linksliberalen Opposition im Parlament. Doch unterstützt auch er den (einstimmigen!) Angriffsbeschluss der Regierung. „Aus vollem Herzen“.

Israelische Experten sehen den Iran schon lange als „Schwellenstaat“. Mit genügend angereichertem Uran und dem Know-How, in kürzester Zeit Atombomben herzustellen. Israels Zeitfenster war wegen der Nuklearverhandlungen der USA mit dem Iran nur kurz geöffnet. Benjamin Netanjahu in seiner Stellungnahme am Freitagmorgen: „Wir konnten die Bedrohung nicht auf die nächste Generation abwälzen. Hätten wir nicht gehandelt, gäbe es keine kommende Generation.“ 

Wobei auch die israelischen Medien nicht genau sagen können, wie weit der Angriff ein israelischer Alleingang war. Wie weit er mit den Amerikanern abgesprochen war. Sicher ist aber, dass die USA in den vergangenen Monaten an Israel Spezialwaffen lieferten, ohne die ein solcher Angriff nicht durchzuführen ist.

Auch Wissenschaftler im Iran getötet

Viele in Israel sehen jetzt die unverhohlene Vorbereitung des Angriffs als Druckmittell, parallel zu den Verhandlungen. Hätte die iranische Seite sich kompromissbereiter gezeigt, hätte US-Präsident Donald Trump den Angriff noch stoppen können.

Erste Bilder von den bombardierten Einrichtungen im Iran zeigen harte Einschläge. Die volle Wirkung von Luftangriffen lässt sich aber erst später voll abschätzen. Getötete Generäle sind in einer militärischen Hierarchie schnell auszuwechseln. Nuklearwissenschaftler können jedoch nicht immer sofort „aus der zweiten Reihe“ ersetzt werden. Was auffällt: Unter den iranischen Opfern finden sich keine Politiker. 

Ex-General Usi Dajan hielt dies im Radiosender Kan am Freitag für einen Fehler. Er ist nicht der einzige in Israel, der die Beschränkung auf militärische Ziele und nukleare Infrastruktur bedauert: „Es bietet sich hier eine Gelegenheit, die bestehende Unzufriedenheit der iranischen Zivilbevölkerung gegen die ungeliebte politische Führung zu aktivieren.“ 

Kommentare