Druck von Trump: Iran zwischen Kompromiss und Märtyrertum

Unruhe im eigenen Lager, steigender Druck durch einen mächtigen Feind – Hasan Ibn Ali, der Enkel des Propheten Mohammed und Zweiter Imam der Schiiten, stand 661 vor einer schwierigen Entscheidung: Sollte er einen ungünstigen Friedensvertrag mit seinem Rivalen Muawiyah schließen, um einen neuen Krieg zwischen den aufkommenden sunnitischen und schiitischen Strömungen zu verhindern, oder sollte er kämpfen? Er entschied sich für Ersteres – zum baldigen historischen Trauma der Schiiten.
Gratwanderung
Dennoch gilt dieses historische Beispiel Irans „Oberstem Führer“ Ali Khamenei nach wie vor als mögliche strategische Herangehensweise: „Heroische Flexibilität“ nennt der 85-Jährige dieses Konzept, das er bereits vor dem ersten Atomdeal angewandt hatte. Es sei die Kunst, nachzugeben, „ohne sich zu ergeben“ – und dabei das ideologische Narrativ der Standhaftigkeit und Widerstandsfähigkeit aufrechtzuerhalten. Vor allem geht es darum, Hardliner und Moderatere gleichermaßen zu besänftigen.
Die derzeitige Lage der Islamischen Republik könnte es Khamenei durchaus nahelegen, wieder zur „Heroischen Flexibilität“ zu greifen: Außenpolitisch hat der Iran im vergangenen Jahr viel verloren: Der Einfluss in Syrien ist drastisch gesunken, die Hisbollah im Libanon massiv geschwächt. Die USA erhöhen durch Stationierungen von Kampfbombern und Flugabwehrsystemen den Druck nicht nur rhetorisch.
Multiple Krisen
Und auch im Inland rumort es immer mehr: Fünf bis acht Millionen afghanische Flüchtlinge im Land, eine massive Wirtschaftskrise, sowie eine verheerende Dürre, führen iranischen Beobachtern zufolge dazu, dass sich die Mullahs mehr auf einen persischen Nationalismus verlagern könnten als auf den Ausbau ihres Einflusses im Nahen Osten.
Nicht nur die Bevölkerung sei die Krise leid, selbst in den Reihen der Revolutionsgarden steige langsam, aber sicher die Unzufriedenheit aufgrund schlechter Bezahlung.

Vorsichtiger Optimismus
Vor diesem Hintergrund ist es durchaus möglich, dass ein neues Atomabkommen zwischen den USA und dem Iran gelingt. Vergangenen Samstag fanden nach Jahren der Eiszeit wieder Gespräche zwischen US- und iranischen Vertretern über die Aufnahme neuer Verhandlungen des Atomabkommens statt. Diese seien gut gelaufen, sagte Khamenei am Dienstag im iranischen Staatsfernsehen, warnte aber vor zu viel Optimismus.
Der Iran-Atomdeal (JCPOA) von 2015 zwischen dem Iran, den USA, EU, China und Russland begrenzte Irans Urananreicherung und Atomprogramm im Gegenzug zur Aufhebung von Sanktionen. Ziel: Verhinderung iranischer Atomwaffen. 2018 stiegen die USA unter Trump aus, woraufhin der Iran Teile des Abkommens verletzte. Die Verhandlungen zur Wiederbelebung des Deals sind seitdem ins Stocken geraten.
Der Deal scheitert am Misstrauen: Der Iran will wirtschaftliche Sicherheit, der Westen - und vor allem Trump - will garantierte Abrüstung. Beide Seiten wollen zuerst etwas bekommen, bevor sie etwas geben.
Im Vergleich zu seinen Aussagen vor einigen Wochen, wonach es keinen Sinn ergäbe, mit Washington zu verhandeln, klingt Khameneis jüngste Einschätzung sehr optimistisch. Am Samstag soll eine weitere Gesprächsrunde im Oman stattfinden. Im Vorfeld erhöht Washington den Druck weiter und fordert den vollständigen Verzicht des Iran auf jegliche Urananreicherung – eine Forderung, die der Iran vehement ablehnt.

Darstellung der Lage von Diego Garcia
Doch es ist mittlerweile ein Markenzeichen des US-Sondergesandten Steve Witkoff, Forderungen zu erhöhen, wenn nicht gerade Russland das Gegenüber ist. Wie gut das funktioniert, wird sich weisen. Das Video von Donald Trump und Wolodimir Selenskij im Weißen Haus wurde und wird in iranischen Medien hinauf und hinunter gespielt. Die Botschaft: „Mit diesem Mann ist nicht zu verhandeln.“
Geänderte Rollen
Inmitten dieser Strömungen steht die iranische Führung unter Druck, sich mit jenem Mann zu arrangieren, der den ersten Atomdeal 2018 plötzlich verlassen hat – und der den Mullahs als verlässliches Feindbild gilt. Das wäre noch vor einem Jahr undenkbar gewesen, als man – zumindest nach außen hin – vor Selbstbewusstsein strotzte. Damals bemühte Khamenei nicht selten Husain Ibn Ali, den Bruder des Zweiten Imams Hasan.
Dieser zog, nachdem sich die Sunniten nicht an den Friedensvertrag mit seinem Bruder gehalten hatten, in die Schlacht – und fiel 680 in der Schlacht von Karbala, die die Spaltung zwischen Schiiten und Sunniten endgültig besiegelte.
Diese zwei historischen Modelle, repräsentiert durch Imam Hasan („Kompromiss“) und Imam Husein („Rebellion und Martyrium“), prägten die schiitische Geschichte und sind Bestandteil der ideologischen Debatten innerhalb des iranischen Regimes – und Gegenstand vieler Reden Khameneis in der Öffentlichkeit. Bleibt die Frage, für welches es sich entscheidet.
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