Israel: Ein 28-Jähriger tötete zwei Gleichaltrige in einer Bar
Tomer Morag und Eytam Magini wollten in der Nacht zum Freitag nur ein Bier in ihrem Tel Aviver Stammbeisl trinken. Da trat Ra’ed Saydan hinter ihre Barhocker in der Ilka-Bar und schoss. Der Mörder war wie seine Opfer 28 Jahre alt. Um sich schießend, verletzte der flüchtige Saydan noch zwölf Passanten. Erst Stunden später wurde er in einem Versteck neben einer Moschee im Süden der Stadt gestellt und im Schusswechsel getötet.Der vierte Anschlag in einer israelischen Großstadt in drei Wochen. Mit insgesamt 13 Toten. Ein Albtraum für die Polizei.
Zwar besteht der Verdacht auf Kontakte zu Helfern, die für Waffen und Fahrgelegenheit sorgten. Doch offensichtlich gab es keine klare Befehlslinie und Planung. Es handelt sich also um Einzeltäter.
Eine Voraufklärung oder Warnung ist so kaum möglich. Trotzdem: Täglich verhindern Israels Sicherheitskräfte ähnliche Anschläge. 600 wurden allein im Februar vereitelt.
Geheimdienste wussten nichts
In Tel Aviv übernahmen die Al-Aksa-Brigaden der säkular-nationalistischen Fatah die Verantwortung für die Morde. Aber weder Saydans Familie noch Israels Geheimdienst waren Kontakte Saydans zu dieser Miliz bekannt. Die Fatah arbeitet im Kampf gegen Terror-Zellen mit Israel zusammen. Doch ein Teil der Brigaden driftete in den letzten Jahren ab zu islamistischen Organisationen. Diese Anschlagswelle beruht weiter auf spontane Nachahmungstäter. Wobei Israels Sicherheitskräfte fieberhaft nach Mitteln suchen, die vermuteten Ad-hoc-Drahtzieher lahmzulegen.
Das Leben geht weiter
Nach fast fünf Jahren ohne spektakuläre Anschläge werden jetzt die Israelis nervös. „Wenn um zwei Uhr nachts Polizisten mit Schusswaffe im Anschlag auf der Suche nach einem flüchtigen Terroristen an die Türe klopfen, stärkt das nicht mein Sicherheitsgefühl“, meinte ein Nachbar der Ilka-Bar. Doch trotz aller Aufregung der Tel Aviver geht das Leben in der „Stadt ohne Pause“ wie gewohnt weiter.
Premier Bennett befindet sich zwischen Hammer und Amboss. Die Terrorwelle schlägt zu, während seine Regierung ihre Mehrheit im Parlament verliert. Trotzdem bleibt er gelassen: „Die Zeiten sind schwierig und herausfordernd, vielleicht sogar auf lange. Die zweite Intifada dauerte Jahre. Am Ende siegten wir.“ Verteidigungsminister Benny Gantz forderte die Israelis auf, Nerven zu behalten. „Dann können sie nicht unseren Alltag zerstören.“ Zum moslemischen Fastenmonat Ramadan erlassene Erleichterungen für die palästinensische Bevölkerung hob das Kabinett bislang auch nicht auf.
Wie schon bei den vorherigen Anschlägen verurteilten die arabischen Parteien Israels den Anschlag. Mit Hinweisen auch aus der arabischen Bevölkerung wurde der Flüchtige gestellt. So sehr die Zahl der Anschläge auch zunimmt, die Unterstützung der arabischen Öffentlichkeit bleibt aus. Zwar kam es in Jenin, dem Heimatort des Attentäters, zu kurzen Jubelkundgebungen. Doch im Westjordanland wie auch in Ost-Jerusalem bleibt es im Vergleich zum Vorjahr bislang auffallend ruhig. So verurteilte Palästinenser-Präsident Machmud Abbas den Anschlag: „Morde an Israelis wie an Palästinensern verschlimmern nur die Lage.“
Norbert Jessen, Tel Aviv
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