636 Tage in Gefangenschaft: James Foley
Es war an einem Tag im Dezember 2013. Eine Geisel wird aus der Zelle gezerrt. Die Entführer, Mitglieder der Terrormiliz "Islamischer Staat", stellen sich vor dem Mann und fragen:
"Wer hat bei der Hochzeit deines Bruders geweint?“ Er antwortet.
"Wer war der Kapitän deines Fußballteams in der High School?" Er antwortet.
Der Gefangene wird zurück in seine Zelle gebracht und bricht in Tränen aus. Ab diesem Zeitpunkt weiß der 40-jährige James "Jim" Foley, dass die Geiselnehmer in Kontakt mit seiner Familie stehen.
Ein Jahr Stille
Das Stellen von persönlichen Fragen ist eine Standardtechnik von Geiselnehmern. Auch Diane und John Foley, die Eltern des in Syrien entführten US-Kriegsreporters, sendeten ihre Fragen an die Dschihadisten und hofften, jene Antworten zu erhalten, die beweisen, dass ihr Sohn noch am Leben ist.
Tage später die Gewissheit: Er lebt.
Bild: Die Eltern von James Foley
Am 26. November 2013, rund ein Jahr nachdem der US-Kriegsreporter James Foley in Syrien verschwunden war, erhielt seine Familie eine E-Mail, Absender unbekannt:
"Wir haben James und wollen verhandeln - er ist bei uns sicher. Er ist unser Freund und wir wollen ihm nicht wehtun - wenn ihr kooperiert, wir haben Regeln: Ihr dürft nicht die Medien kontaktieren - wenn ihr das tut, werden wir nicht verhandeln."
USA verhandeln nicht mit Terroristen
Ein Jahr voller Stille war vorüber. Die Hoffnung, ihren Sohn bald wieder zu sehen, stieg mit einem Augenblick. Aber die Entführer stellten Forderungen, die nicht erfüllt werden konnten: Entweder stimmen die USA einen Gefangenenaustausch zu - Foley für Personen, die im US-Gefangenenlager Guantanamo inhaftiert sind - oder ein Lösegeld in Höhe von 100 Millionen US-Dollar.
Während europäische Staaten in der Vergangenheit Lösegeld an Geiselnehmer überwiesen, um ihre Staatsbürger frei zu bekommen, weigert sich die US-Regierung strikt, mit Terroristen über Geld zu verhandeln. Ihre Politik begründen sie damit, dass Geld nur zum Erstarken der Terrororganisation führe und weitere Geiseln und im schlimmsten Fall Tote zur Folge hätte.
Jeder Versuch der Foley Familie mit den Kidnappern direkt zu verhandeln scheiterte. Unzählige E-Mails folgten, aber eine Antwort bekamen sie nie.
Bild: James Foley war unter anderem für die Nachrichtenseite GlobalPost tätig.
Im Frühling 2014 entließ die Terrormiliz europäische Geisel, die zusammen mit Foley im Gefangenenlager in Raqqa waren - das Hauptquartier der Dschihadisten im selbsterklärten Kalifat.
Luftangriffe und letzte E-Mail
Im April 2014 betraten maskierte Männer die Zelle, um einen russischen Gefangenen zu holen, den sie als Sergei Gorbunov identifizierten. Sie schafften den Mann nach draußen und töteten ihn - während sie mit einer Kamera alles aufzeichneten. Die Aufnahmen zeigten die Mörder Foley und den noch verbliebenen US-amerikanischen und britischen Geiseln: "Das passiert, wenn eure Regierungen nicht zahlen."
In den darauffolgenden Wochen breitete sich die Terrormiliz immer weiter in Syrien und im Irak aus. Anfang August startete die USA mit Luftangriffen gegen Stellungen der Dschihadisten. Zur selben Zeit bekam die Familie des US-Reporters eine weitere E-Mail der Geiselnehmer - die letzte, wie sie eine Woche später erfahren wird.
Gerichtet war die Nachricht an die "amerikanische Regierung und deren Schafe, die Bürger". Der US-Bürger James Foley würde längst wieder in den USA sein, wenn die Verantwortlichen das Geld, "wie es andere Länder akzeptierten", überwiesen hätten, schreiben die IS-Dschihadisten. Stattdessen würde die Regierung in Washington Muslime im Irak bombardieren und auf "stellvertretende Armeen" [Anm.: Kurdische Peschmerga] zurückgreifen, "weil ihr euch vor einer face-to-face-Konfrontation fürchtet".
636 Tage in Gefangenschaft
Die E-Mail, die von Foleys Eltern veröffentlicht wurde, endete mit den Worten:
"Ihr und eure Bürger werden den Preis für die Bombenanschläge [im Irak] bezahlen! Der erste wird der amerikanische Bürger James Foley sein! Er wird als direkte Folge auf eure Übertretungen gegen uns hingerichtet werden!"
Bild: Die US-Regierung vertritt die Politik: "Wir verhandeln nicht mit Terroristen."
Als die vermummten Geiselnehmer in die Zelle kamen, brachten sie James Foley einen orangefarbenen Overall mit– denselben, den auch Gefangene in Guantanamo tragen. Auf einem verlassenen Hügel außerhalb von Raqqa kniete der Reporter vor einem schwarz gekleideten IS-Dschihadisten, der später vom britischen Geheimdienst als Mohammed Emwazi identifiziert wird - auch bekannt als "Dschihadi John".
Interview mit Kriegsreporter Tom A. Peter
Foley sah in die Kamera. Bis zuletzt hofften Eltern, Freunde und Kollegen, dass der US-Journalist doch noch freigelassen wird. Sie schrieben E-Mails, baten um Hilfe und forderten die Regierung in Washington auf, das Lösegeld für den 40-Jährigen zu zahlen.
Bild: James Foley kniet vor dem IS-Terroristen mit britischem Akzent
Am 19. August 2014 endeten 636 Tage in Gefangenschaft. James Foley wird von einem Schergen der Terrororganisation " Islamischer Staat" vor laufender Kamera geköpft, das Video wird auf YouTube hochgeladen. Der bestialische Terror des "Islamischen Staates" ist in den Wohnzimmern der westlichen Welt angekommen.
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