Drei Szenarien für Israel und seine Feinde
Der Gedenktag an die zweimalige Zerstörung des jüdischen Tempels vor zwei Jahrtausenden war am Dienstag für viele Israelis eine Erinnerung an die Gegenwart. An sieben Fronten und aus allen Himmelsrichtungen wird Israel in diesen Tagen von militanten Islamisten bedroht. Mit dem unverhohlenen Ziel, Israel zu zerstören.
Härter als Angriff im April?
Und wie vor 2.000 Jahren steht an der Spitze eine unfähige Führung, die Einheit predigt, aber das Volk immer wieder spaltet. Ein Radio-Kommentator lästerte am Dienstag: „So unfähig und zerstritten ist Premier Benjamin Netanjahus Regierung, dass sie es nicht einmal schafft, sich selbst aufzulösen.“ Nach erfolgreichen gezielten Tötungen gegen mehrere Terroristen-Kommandeure im Gazastreifen, Libanon und sogar im Iran, drohen die feindlichen Milizen und die iranischen Revolutionsgarden mit schwerer Vergeltung.
Härter noch als die „Feuernacht“ im April, als der Iran und seine verbündeten Milizen 300 Raketen in einer Nacht auf Israel abfeuerten. Dieser Angriff und Israels danach zu erwartender Gegenschlag könnten die Kriege im Gazastreifen und an Israels Nordgrenze in einen Krieg ausweiten, der die gesamte Nahost-Region bedroht.
Die Hardliner in der israelischen Regierung beschuldigen alle Welt, sich gegen Israel zu verschwören. Dabei fahren die USA schwere Kriegsschiffe im Golf auf, um die iranische Regierung vor einem Angriff gegen Israel abzuschrecken. Wie in der „Feuernacht“ stehen gleich mehrere arabische Staaten von Ägypten über Jordanien bis an den Golf mit ihrer Luftabwehr und Kampfflugzeugen bereit.
Auch diesmal wollen sie iranische Raketen in ihren Lufträumen abfangen.
Indes erklärte Netanjahu die Geisel-Verhandlungen am Kabinett vorbei zur Chefsache. Alle an den Verhandlungen beteiligten Unterhändler, auch die israelischen, verweisen auf Netanjahu, durch immer neuen Klärungsbedarf ein Abkommen zu verzögern. Hinter der Kritik steht der Vorwurf, Netanjahu wolle durch immer neue Verzögerungen seine Amtszeit verlängern. Einen Rücktritt hinauszögern.
Hamas geschwächt
Eine Entwicklung, wie sie auch im Gazastreifen zu beobachten ist. Nicht vor laufenden Kameras, aber deutlich spürbar. Auch in der Hamas wird die Forderung nach einem „Deal“ mit Israel lauter. Jechije Sinwar hingegen zeigt sich eher spröde. Mittlerweile ist er fast der Alleinchef der militanten Islamisten, jedoch kaum noch handlungsfähig. Fast 75 Prozent der militärischen Kampfkraft der Miliz soll zerstört sein. Sie spricht nicht mehr einheitlich nach außen.
In der Nacht zum Dienstag meldete ein Sprecher den Tod einer israelischen Geisel durch seine Wächter. Ohne Angabe von Gründen. Aus anderer Quelle wurde triumphierend mitgeteilt, Sinwar habe aus seinem streng geheimen Versteck heraus mit seinen Untergebenen telefonieren können. Was nur etwa alle zwei Wochen geschehe. Auch Sinwar muss mit Konsequenzen nach Kriegsende rechnen, wenn das volle Ausmaß der Zerstörung im Gazastreifen der Öffentlichkeit bewusst wird.
Täglich feuert die libanesische Schiitenmiliz Hisbollah ihre Raketen zu Dutzenden auf Nordisrael. Zum angekündigten schweren Vergeltungsschlag sollen es noch mehr werden. Viel mehr. Weshalb sie jetzt schon in Beirut ihre wichtigsten Kommandozentralen räumt. Angst vor der Vergeltung nach der Vergeltung.
Möglich sind drei Entwicklungen für Israel: Die für Donnerstag angesetzte Verhandlungsrunde bringt einen Geiselaustausch und im Anschluss in Gaza eine Kampfeinstellung und regionale Neuordnung. Oder Israel lässt sich weiter auf den bereits begonnen Abnutzungskrieg an allen Fronten ein. Der jetzt schon mit Toten und Evakuierten schwer zu ertragen ist. Möglich ist aber auch ein Rundumschlag gegen alle. In der Hoffnung es wird ein befreiender. Die letzte Möglichkeit will derzeit niemand. Weder in Jerusalem noch in Beirut oder Teheran. Alle drei Möglichkeiten erfordern eine Entscheidung. Vor der aber alle Beteiligten zurückschrecken.
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