"In Gaza leben Menschen Tag und Nacht in einer Hölle hinter verschlossenen Türen"

Palestinians look at a house destroyed after an Israeli air strike in Gaza City
Gesammelte internationale Pressestimmen zur Gewalteskalation im Nahost-Konflikt.

Wie internationale Tageszeitungen am Freitag die Gewalteskalation im Nahost-Konflikt und ihre Folgen kommentieren:

Corriere della Sera (Rom):

"Kritik ist die Stärke der Demokratien. Selbst wenn sie gespalten sind oder polarisiert wie heute die Vereinigten Staaten, sind Demokratien stärker. Nicht, weil sie mächtigere Waffen haben, sondern weil sie aufgeklärtere Bürger haben.

Ein wahlloses Massaker in Gaza wäre nicht nur ein Trauerspiel für die Menschheit, eine Waffe in den Händen der Feinde des Westens und ein weiterer Schub in den Strudel des Hasses. Es wäre auch eine Niederlage für uns. Die Beseitigung der Hamas, ohne weiteres unschuldiges Blut zu vergießen, ist sehr schwer, vielleicht unmöglich. Aber das muss der Kompass sein, der die kommenden, entscheidenden und äußerst sensiblen Tage leitet."

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Dagens Nyheter (Stockholm):

"Wieder hat eine antisemitische Terrororganisation Juden zum Ziel erklärt. Wieder werden Juden in aller Welt dazu gezwungen, Symbole ihres Glaubens zu verstecken und ihre Identität zu verbergen. Die Behörden müssen nun ihr Äußerstes tun, um die Sicherheit jüdischer Organisationen und Institutionen zu stärken.

Es sind aber nicht nur Juden, die im Zuge des Terroranschlags von Vorurteilen betroffen sind. Muslime, Araber und Palästinenser begegnen ebenfalls Hass und Drohungen, nicht zuletzt im Internet. Das Pendant zu den Gewaltanhängern, die jubelnd Hamas-Flaggen schwenken, sind die Islamophoben, die dazu aufhetzen, den Islam auszurotten und Gaza dem Erdboden gleichzumachen. Man kann nicht einem palästinensischen oder muslimischen Kollektiv die Schuld für das geben, was Extremisten tun oder predigen. Indem man voreingenommene Schlüsse über die gesamte Gruppe zieht, verringert man zudem die Verantwortung der tatsächlich Schuldigen. Das erleichtert ihre Schuldenlast - das Letzte, was wir jetzt tun sollten."

Neue Zürcher Zeitung:

"'Es gibt nichts zu relativieren', sagte er: 'Jedes "Ja, aber" ist fehl am Platze.' Das 'Ja, aber' ist allerdings in der deutschen Gesellschaft durchaus verbreitet. Und damit kommen wir zu den Dingen, die Olaf Scholz interessanterweise nicht sagte. Warum hat die Bundesrepublik offenbar, da sie jetzt ja 'prüfen' muss, keinen Überblick über die Verwendung steuerfinanzierter Entwicklungshilfe? Warum entdeckt man erst jetzt das 'scharfe Schwert' des Vereinsrechts - und wird es auch auf das vom Verfassungsschutz beobachtete Islamische Zentrum Hamburg und das Israel-Boykott-Netzwerk BDS angewendet werden? Warum gab es bisher kein 'Betätigungsverbot' für die Hamas? Warum gab es bisher 'Toleranz', wenn auf Anti-Israel-Kundgebungen 'Tod den Juden, Tod Israel!' oder 'Hamas, Hamas, Juden ins Gas!' gerufen wurde?"

La Vanguardia (Madrid):

"Das Einfühlungsvermögen hat Grenzen. Vor allem vom heimischen Sofa aus. Das terroristische Massaker der Hamas an unschuldigen Opfern hat ein beschämendes Licht auf unsere kleinen Alltagsprobleme geworfen. Es ist heute schwierig, über etwas anderes zu schreiben als über die barbarische Grausamkeit der Hamas, auf die die Grausamkeit der israelischen Armee gegenüber der Mausefalle Gazastreifen folgt, in der es unmöglich ist, Terroristen und Zivilisten, Milizionäre und Unschuldige zu unterscheiden.

Unser Einfühlungsvermögen reicht nicht aus, um zu verstehen, was es bedeutet, ohne Hoffnung geboren zu werden, zu leben und zu sterben. In Gaza ist das die Realität. Wir sind auch nicht fähig, zu verstehen, wie diese mörderischen Milizionäre wie eine Plage über die Zivilbevölkerung hereinbrechen konnten. Aber vielleicht sind wir fähig, zu verstehen, was passiert, wenn Radikale, Wahnsinnige und Rassisten an die Macht kommen und versuchen, aus purer Freude am Zerstören alles kaputt zu machen. Als ob nach dem Feuer nur sie übrig blieben, die Reinen, während das Feuer tatsächlich nur immer neue Rachegelüste hervorbringt."

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Irish Times:

"Schon jetzt verstößt die Unterbrechung der Versorgung von zwei Millionen Menschen im Gazastreifen mit Wasser, Strom, Medikamenten und Lebensmitteln gegen die Regeln des Kriegsrechts und des humanitären Völkerrechts, ebenso wie die wahllosen Bombardierungen ziviler Stadtviertel. Eine Invasion des Gazastreifens mit dem Ziel, die militärischen Kapazitäten der Hamas auszuschalten, wird die öffentliche Meinung in der Region noch mehr polarisieren.

Ausländische Regierungen sollten so viel Druck wie möglich auf Israel ausüben, um zu erreichen, dass es Racheaktionen vermeidet, die letztlich der Hamas bei ihrem Ziel in die Hände spielen, die regionalen Spannungen zu eskalieren und den Konflikt auszuweiten. Die US-Regierung hat eine besondere Verantwortung, dabei die Führung zu übernehmen, auch wenn der Umgang mit einer stark rechtsgerichteten israelischen Regierung nicht einfach sein wird. (...)

Frühere maximalistische israelische Reaktionen auf palästinensische Angriffe haben sich längerfristig dadurch gerächt, dass sie die Kräfte, die sich ihnen entgegenstellten, neu geschaffen haben, so wie es auch in diesem Fall zu geschehen droht."

Washington Post:

"In einer Zeit, in der die USA und die Welt dringend Anstand und moralische Klarheit brauchen, hat Präsident Biden beides geliefert. Seine Worte zu den mutwilligen Gräueltaten, die die Hamas in der vergangenen Woche an Hunderten von israelischen Zivilisten, aber auch an vielen US-Amerikanern und Bürgern anderer Länder begangen hat, waren unmissverständlich. In einer Rede bei einem Treffen führender jüdischer Vertreter beschrieb er den Massenmord als "schlicht böse" und verglich ihn mit den "schlimmsten Gräueltaten des IS".

Während er den Terrorismus verurteilte und Unterstützung bei Israels militärischer Reaktion anbot, erinnerte der Präsident die neue Notstandsregierung unter Ministerpräsident Benjamin Netanyahu an deren Verantwortung, nach dem "Kriegsrecht" zu handeln.

Mit diesen maßvollen Äußerungen haben die USA genau die richtige Haltung eingenommen: Sie unterstützen Israel, sind aber auch in der Lage, wenn nötig dessen Reaktion zu beeinflussen und abzumildern. Kurz gesagt: Biden hat bisher den elementaren Test der politischen Führung inmitten einer Krise bestanden. So, wie es sich diejenigen erhofft hatten, die ihm vor drei Jahren ihr Vertrauen an der Wahlurne gaben."

Libération (Paris):

" (...) Die israelische Entscheidung, die Versorgung mit Trinkwasser, Strom und Lebensmitteln zu blockieren, ist Teil dieses Teufelskreises aus physischer und moralischer Gewalt, Demütigung und Rache, dessen Hauptopfer die Zivilbevölkerung ist. Über ihren Köpfen die israelischen Bomben, unter ihren Füßen ein riesiges Netz unterirdischer Gänge, die den Großteil der Männer und Waffen der Hamas beherbergen. Dazwischen gefangen, von Zäunen umgeben, aus der Luft bombardiert und aus dem Untergrund überwacht, leben die Menschen in Gaza Tag und Nacht in einer Hölle hinter verschlossenen Türen. Der einzige Mann, der ihr Leid lindern könnte, indem er seinen unvergleichlichen Einfluss auf Ägypten und Israel geltend macht, ist der amerikanische Präsident. (...) "

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Sme (Bratislava):

"Es überrascht nicht, dass das Massakrieren unschuldiger Menschen auf den Straßen Westeuropas vereinzelt gefeiert wurde. Auch nicht, dass sich die Zahl antisemitischer Äußerungen und Vorfälle nach dem Terrorangriff vor allem in Großbritannien und Frankreich vervielfachte. Wie jemand abgeschnittene Köpfe, lebendig angezündete Menschen und das Ermorden ganzer Familien feiern konnte, werden Psychologen und Psychiater erörtern. Als Laie kommt man auf den Gedanken, dass das Ablehnen von Flüchtlingen vielleicht doch rationale Gründe hat.

Die 'pro-palästinensischen' Kundgebungen trugen alle Anzeichen der Befürwortung von Terrorismus. Zumindest an der Grenze dazu sind Meinungen wie, dass die Hamas zwar terroristisch und ihre Methoden zu verurteilen seien, aber auch Israel Fehler gemacht habe. Denn es sei eine Besatzungsmacht, habe eine extremistische Regierung, es herrsche dort angeblich eine Apartheid und so weiter. (...) Als ob der Terror nicht eindeutig schwarz-weiß wäre, sondern man nach Begründungen fragen könnte. Die gibt es nicht. Keine 'Frustration', 'Ausweglosigkeit', 'Armut' oder ähnliches legitimiert ein 'Aufwiegen' von Terrorismus. Wer für den Terror abwägende 'Argumente' sucht, stellt sich auf die Seite Palästinas."

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