Infektionen in Schweden nehmen zu, neue Maßnahmen angedacht
Auch in Schweden steigen die Infektionszahlen neuerlich, vor allem im Raum Stockholm sowie im mittelschwedischen Dalarna. Staatsepidemologe Anders Tegnell erwägt darum nicht näher erklärte Restriktionen, welche auf die Ausbruchszonen begrenzt wären.
„Geht das Ansteigen der Fallzahlen weiter, können wir rasch in einer ernsten Lage sein“, so Schwedens bekanntester Mediziner.
Björn Eriksson, Chef des Gesundheitsamtes für Stockholm, erwähnte als Alternative eine „Familienquarantäne“, bei der alle Mitglieder eines Haushaltes mit dem der infizierten Person zu Hause bleiben müssen.
Schweden verzeichnete von Freitag auf Dienstag 1.199 Neuinfektionen, insgesamt wurden bisher 89.436 Personen positiv auf das Coronavirus getestet. In Stockholm beunruhigte vor allem, dass vergangene Woche 2,2 Prozent der Getesteten positiv waren, während es in der Woche zuvor nur 1,3 Prozent waren.
Dies ist deswegen bemerkenswert, da Tegnell auf Basis von Berechnungen des Mathematikers Tom Britton von einer sogenannten Herdenimmunität für den Raum Stockholm ab Juni ausging. Laut Britton kann diese Immunität bereits erreicht werden, wenn 40 Prozent einer Bevölkerung infiziert wurden. Bei einer Herdenimmunität wird in der Theorie die Ausbreitung des Virus stark verlangsamt, da es nicht mehr genügend Menschen ohne Antikörper, d. h. weniger Infektionsanfällige, gibt.
Schweden verzichtete im Gegensatz zu anderen Ländern auf einen Lockdown und ließ im Frühjahr Grund- und Mittelschulen sowie Restaurants und Geschäfte offen. Lange international kritisiert, erfuhr diese Entscheidung in der letzten Woche mehr Anerkennung, da sich in Ländern wie Spanien und Frankreich eine zweite Welle abzeichnete, in Schweden die Fallzahlen aber zurückgingen. In Schweden herrscht keine Maskenpflicht in öffentlichen Gebäuden oder öffentlichen Verkehrsmitteln.
Schmerzlich sind in dem skandinavischen Land mit zehn Millionen Einwohnern allerdings die hohen Todeszahlen, an oder mit Covid-19 verstarben landesweit 5.870 Personen, davon allein im besonders betroffenen Raum Stockholm 2.403.
Tegnell, auf dessen Rat die rotgrüne Minderheitsregierung unter Stefan Louven generell hört, erklärte dies jüngst mit einer milden Grippewelle im vergangenen Winter, so dass die Gebrechlichen anstatt an der Influenza an SARS-Cov-2 verstarben.
Die Intensivbetten sind jedoch nicht ausgelastet – das berühmte Karolins Universitätskrankenhaus in Stockholm hat darum angekündigt, Corona-Kranke anderer Länder aufzunehmen – ganz in der Tradition von Schweden als „humanitärer Großmacht".
Der Nachbar Finnland, der erst vor zwei Wochen bedingungslos die Grenzen zu Schweden geöffnet hatte, ist weit pragmatischer. Die Regierung in Helsinki kündigte diese Woche an, die Grenzen ab kommendem Montag für touristische Reisen schwedischer Staatsbürger zu schließen.
Die Entscheidung fiel, da im Nachbarland die Fallzahlen von 25 Neuinfektionen auf 100.000 Einwohner überschritten wurde. Finnland, das einen strengen Lockdown im Frühjahr umsetzte, verzeichnet 9.195 Ansteckungen und 341 Todesfälle.
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