Rahul Gandhi: Der "verwöhnte Prinz", der es mit Modi aufnahm
„Die, die dich bisher nicht sehen konnten, sehen dich jetzt - aber manche von uns haben dich immer gesehen“, schrieb die indische Oppositionspolitikerin Priyanka Vadra am Mittwoch stolz auf der Plattform X. Gerichtet hat sie diese Worte an ihren Bruder Rahul Gandhi, auf den nach Bekanntwerden der indischen Parlamentswahlergebnisse die Augen gerichtet sind.
Dabei war es lange Vadra gewesen, der viele eher zugetraut hatten, was Gandhi nun geschafft hat. Seine sozialliberale Kongresspartei und ihre Verbündeten, die als Allianz INDIA angetreten sind, haben Premier Narendra Modi und seine hindunationalistische BJP zwar nicht geschlagen.
Sitzzahl fast verdoppelt
Doch das Bündnis holte 234 der 543 Unterhaus-Sitze und war damit viel stärker, als die Umfragen vorausgesagt hatten. Allein die Kongresspartei konnte ihre Sitzzahl im Vergleich zur Wahl 2019 von 52 auf 99 beinahe verdoppeln. Modis BJP hingegen verlor über 60 Mandate und ist zum Regieren auf Koalitionspartner angewiesen.
Obwohl die Siege der Opposition zum Teil auf die starken Erfolge ihrer Regionalparteien zurückzuführen sind, etwa im bevölkerungsreichsten und politisch wichtigsten Bundesstaat Uttar Pradesh, hat diese kleine, aber überraschende Machtverschiebung Gandhi quasi über Nacht neue Strahlkraft verliehen.
Sein Großvater war Indiens erster Premier
Der heute 53-Jährige ist nicht mit Namensvetter „Mahatma“ Gandhi, dem berühmten Freiheitskämpfer, verwandt. Stattdessen gehört er der einflussreichen Politikerfamilie Nehru-Gandhi an - Rahul Gandhis Urgroßvater war Jawaharlal Nehru, der erste Premier des unabhängigen Indiens. Auch seine Großmutter und sein Vater regierten das riesige Land bereits, beide wurden ermordet.
Modis BJP und ihre Anhänger bezeichnen den Cambridge-Absolventen, der unter einem Pseudonym studierte, regelmäßig als „verwöhnten Prinzen“. Auch „Pappu“ nennen sie ihn – ein Hindi-Spitzname für kleine Buben.
Kurzzeit-Parteichef
Dass Gandhi den Karriereweg seiner Vorfahren verfolgen würde, war jedoch alles andere als klar. Er galt als zurückhaltend und gar nicht so sehr an Politik interessiert. Viele dachten deshalb, seine Schwester Priyanka würde die Tradition der Familie weiterführen.
2004 aber kandidierte er überraschend für einen Unterhaus-Sitz in Uttar Pradesh - und zog ein. Zehn Jahre später fuhr die Kongresspartei ein historisch schlechtes Ergebnis ein, Modi kam an die Macht.
Danach wurde Gandhi als inoffizieller Parteichef gesehen, formal wurde er es erst 2017. Weil das Wahlergebnis 2019 erneut zu wünschen übrigließ und Gandhi selbst sogar den Parlamentssitz seiner Familie in Uttar Pradesh verlor, trat er aber schon zwei Jahre später wieder zurück. Ihm wurde ein Mangel an Führungsqualitäten zugeschrieben.
Im März 2023 wurde Gandhi dann der Diffamierung beschuldigt und zu zwei Jahren Haft verurteilt, weil er Menschen mit dem Nachnamen Modi als „Diebe“ bezeichnet hatte. Die Strafe wurde dann aber doch ausgesetzt.
"Comeback"
Er ist nach wie vor nicht Parteichef und trotzdem das Gesicht der Opposition: Er tourte - zum Teil zu Fuß - quer durch Indien, tingelte als Vertreter der Opposition ins Ausland und sprach in seinen zahlreichen Reden verstärkt Themen wie die hohe Jugendarbeitslosigkeit an, für die Modi kritisiert wird.
Beobachter sehen im Wahlergebnis nun ein „Comeback“ Gandhis. In seinem ersten Pressestatement danach machte er gleich da weiter, wo er aufgehört hatte: Er warf dem Premier - angesichts der nach Verkündigung der Ergebnisse eingebrochenen indischen Aktienmärkte - Korruption vor. Der Kurs der größten börsennotierten Sparte des Konzerns Adani Enterprises brach um 25 Prozent ein; dessen Eigentümer Gautam Adani ist ein wichtiger Verbündeter Modis.
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