Im Schatten von Corona: USA zittern vor den Feiern zum 4. Juli

Besucher in Mount Rushmore
55.000 Neuinfektionen an einem Tag, erste Veranstaltungen wurden abgesagt. Trump sieht kein Problem.

Feuerwerke, Feierlichkeiten, Paraden. Der vierte Juli ist den US-Amerikanern ein heiliger Tag, der Tag ihrer Unabhängigkeit. Doch – wie so vieles – ist dieses Jahr alles anders. Das Corona-Virus wütet wie nie zuvor in den Vereinigten Staaten. Mit mehr als 55.000 Neuinfektionen innerhalb von 24 Stunden mussten die USA einen traurigen Rekord vermelden. Und die Fälle steigen weiter an. Vielerorts wurden Veranstaltungen abgesagt - beispielsweise in Los Angeles. Das Großfeuerwerk in New York wurde auf mehrere Tage verteilt, um zu verhindern, dass wie sonst üblich Zehntausende an den Flussufern der Stadt gemeinsam das Spektakel anschauen.

In Anbetracht der schlimmen Lage vollziehen sogar Staaten wie Texas überraschende Kehrtwenden: Gouverneur Greg Abbott ordnete am Donnerstag eine Maskenpflicht für alle Bezirke mit 20 oder mehr Corona-Fällen an. Damit könne die Ausbreitung des Virus nicht nur verlangsamt, sondern auch die Wirtschaft am Laufen gehalten werden, erklärte Abbott. Er folgte damit der Linie von mehr als einem Dutzend Bundesstaaten. Der Schritt war dennoch bemerkenswert. Abbott hatte im Juni noch gesagt: "Die Regierung kann nicht vorschreiben, dass Einzelpersonen Gesichtsmasken tragen müssen."

Währenddessen besuchte US-Vizepräsident Mike Pence, der die Corona-Arbeitsgruppe des Weißen Hauses leitet, Florida, das – ebenso wie Texas und Arizona – extrem stark betroffen ist. Am Tag seines Besuchs überschritt die Zahl der nachgewiesenen Neuinfektionen innerhalb eines Tages dort die Marke von 10 000 - ein Allzeithoch. Pence war bemüht, Optimismus zu verbreiten: Er wolle, dass die Menschen wachsam seien, aber er wolle sie auch bestärken. Florida habe alles, was es brauche, um diesem Moment zu begegnen.

Trump: "Zunahme nur wegen großartiger Tests"

Präsident Donald Trump hat den rasanten Anstieg der Corona-Fallzahlen in den USA erneut damit begründet, dass in dem Land weitaus mehr auf das Virus getestet werde. "Es gibt eine Zunahme der Coronavirus-Fälle, weil unser Testverhalten so massiv und so gut ist, viel größer und besser als in jedem anderen Land", schrieb er am späten Donnerstagabend auf Twitter.

Dies seien großartige Neuigkeiten. Außerdem sei die Sterblichkeitsrate zurückgegangen, und jüngere Menschen erholten sich viel leichter und schneller. Trump hat wiederholt die Zunahme der Fallzahlen mit der Ausweitung der Tests begründet.

Kritiker werfen ihm vor, das Infektionsgeschehen herunterspielen zu wollen. Sie verwiesen auf eine steigende Zahl von Krankenhauseinweisungen. Sie machen außerdem geltend, dass bei einer Ausweitung der Tests die Anzahl der positiven Resultate zurückgehen oder zumindest gleichbleiben müsste, wenn Trumps These stimmen sollte. Auch renommierte Experten weisen Trumps Begründung zurück und machen vorrangig die Lockerung von Corona-Beschränkungen für den Anstieg verantwortlich.

Führende Wirtschaftsvertreter appellierten an das Weiße Haus, es müsse in Zusammenarbeit mit den Gouverneuren Regelungen für das verpflichtende Tragen von Masken in der Öffentlichkeit ausarbeiten. Die vergangenen Wochen hätten bewiesen, dass auf Freiwilligkeit basierende Richtlinien nicht ausreichten, um die Gesundheit der Menschen zu schützen, hieß es in einem offenen Brief, der unter anderem vom Vorstandsvorsitzenden der US-Handelskammer unterzeichnet wurde. Ohne stärkere Maßnahmen zur Eindämmung der Virusausbreitung drohe Amerika eine "weitere Runde an Shutdowns, weitreichenden Beschränkungen für nicht essenzielle Betriebe und irreparablen wirtschaftlichen Schaden".

Die Wirtschaft des Landes, die empfindlich von der Pandemie getroffen wurde, ist Trump wenige Monate vor der Wahl im November ein wichtiges Anliegen. Am Donnerstag bejubelte er im Weißen Haus die rasche Verbesserung der Lage am Arbeitsmarkt, die "alle Erwartungen übertroffen" habe. Die am Donnerstag veröffentlichte Arbeitslosenquote fiel stärker als erwartet von 13,3 Prozent im Mai auf 11,1 Prozent im Juni. Fast fünf Millionen Amerikaner haben im Juni wieder Arbeit gefunden. Doch die positiven Nachrichten sind mit Vorsicht zu genießen - denn wegen der Zuspitzung der Lage im Süden des Landes droht neues Unheil. Die Arbeitslosenquote für Juni beruhte auf Daten, die nur die Situation bis zur Mitte des Monats abbildeten. Mögliche Auswirkungen der jüngsten Zuspitzung spiegelten sich darin deshalb noch nicht wider.

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