Im Kriegsgebiet an der Covid-Front: Wie ein Tiroler im Jemen half
„Von 392 Covid19-Patienten sind 203 gestorben, einige bereits beim Transport ins Krankenhaus“, sagt Daniel Walder zum KURIER.
Wenn der Intensivkrankenpfleger nach einem harten Arbeitstag aus dem Corona-Zentrum in Aden am Heimweg war, war ihm klar: Ein Feierabend würde das in den seltensten Fällen sein.
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„Ich hatte immer 24 Stunden Bereitschaft, großteils musste ich jede Nacht ins Krankenhaus zurück“, sagt Walder. Das „Krankenhaus“ war ein umfunktioniertes Veranstaltungszentrum, etwas außerhalb der jemenitischen Küstenstadt. Und viel zu oft war es für Walders Patienten zu spät.
„Die Menschen sind zum Großteil erst gekommen, als die Krankheit schon weit fortgeschritten war. Sie haben es so lange wie irgendwie möglich vermieden, ins Krankenhaus zu gehen“, berichtet Walder, der für „Ärzte ohne Grenzen“ sieben Wochen im Bürgerkriegsland im Einsatz war.
Wie geht ein Mensch mit so vielen Todesfällen um? „Es ist eine belastende Situation, aber ich habe immer an die Worte einer Kollegin gedacht: Man muss an die denken, die überlebt haben, nicht an die, die gestorben sind. Wäre keiner da, der hilft, wären wahrscheinlich alle gestorben.“
Das Coronavirus trifft die ohnehin kriegsgebeutelte Bevölkerung des Jemen mit voller Härte. Seit Jahren tobt ein erbitterter Krieg – ein Ende ist nicht in Sicht. Auch wenn die Kampfhandlungen derzeit auf ein Minimum reduziert sind, fliegen saudische Kampfjets immer wieder Vergeltungsattacken gegen die Houthi-Rebellen im Norden des Landes, verschiedene Splittergruppen aufseiten der saudischen Militärkoalition, die seit 2015 gegen die Houthis kämpft, können nur mit Mühe zusammengehalten werden.
Der größte Feind ist jedoch die katastrophale Versorgung des Landes: Krankheiten wie Malaria, Dengue und Cholera suchen die Menschen heim.
80 Prozent der Bevölkerung, das sind mehr als 24 Millionen Menschen, sind auf Hilfe angewiesen, rund die Hälfte davon Kinder. Mehr als drei Millionen Menschen im Jemen sind akut mangelernährt. Das Virus verschärft die Situation vor allem im medizinischen Sektor: „Viele Krankenhäuser haben zugesperrt, medizinisches Personal hat sich aus Angst vor dem Virus geweigert, zu arbeiten. Menschen mit ganz normalen Atemwegserkrankungen wurden abgewiesen“, sagt Walder.
Dennoch habe er mit seinen jemenitischen Mitarbeitern gute Erfahrungen gemacht: „Wir hatten einen super Teamgeist. Und das, obwohl viele von ihnen seit Monaten kein Gehalt mehr bekommen haben. Einige von ihnen sind dennoch zehn Kilometer zu Fuß ins Krankenhaus gegangen.“
Hunderttausend Tote
Seit fünf Jahren kämpft Saudi-Arabien offiziell im Jemen gegen die Iran-nahen Houthis, seit 2015 sind 100.000 Menschen im Krieg gestorben
Zersplitterter Staat
Selbst die Anti-Houthi-Kräfte sind untereinander oft uneins, südjemenitische Separatisten schwenkten am Mittwoch erst nach massiver Intervention um
Eine seriöse Zahl der Corona-Infektionen im Jemen ist unmöglich herauszufinden – dazu fehlt es an medizinischen Strukturen.
Während er selbst oft 17 Stunden am Tag gegen den unsichtbaren Feind kämpfte, hat der Tiroler vom Krieg nicht viel mitbekommen – sein Arbeitsplatz war mehr als 40 Kilometer von der Frontlinie entfernt. „Hin und wieder habe ich Artillerie und Feuerstöße gehört, aber daran gewöhnt man sich relativ rasch“.
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