Wie geht es weiter in der Ukraine? Hoffen auf Diplomatie, warten auf die Bomben
Bisher war ein Ex-Kulturminister und notorischer Geschichtsverdreher gut genug für die ukrainischen Verhandler. Auch am Montag reiste daher ein gewisser Wladimir Medinski zu Gesprächen ins benachbarte Weißrussland – mit mehr als ungewissem Ausgang. Nun aber tritt ein prominenter Verhandler auf den Plan. Wie die Türkei mitteilte, wird Russlands Außenminister Sergej Lawrow am Donnerstag in Ankara erwartet. Dort trifft der Altmeister der russischen Diplomatie auf sein ukrainisches Gegenüber, Außenminister Dmitro Kuleba.
Bestätigt Moskau das Treffen, sind es die bislang höchstrangigen Direktgespräche zwischen Russland und der Ukraine, seit die russische Armee das Nachbarland überfallen hat: nach tagelanger Pendeldiplomatie. Vor allem der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan und Israels Premier Naftali Bennett waren zuletzt wiederholt mit beiden Seiten in Kontakt. Sowohl Israel als auch die Türkei unterhalten enge Beziehungen zu Russland, haben aber auch einen offenen Gesprächskanal nach Kiew.
Die Erfolgsaussichten solcher Verhandlungen beurteilen Experten wie Gerhard Mangott gegenüber dem KURIER allerdings skeptisch. Der Politikwissenschaftler sieht darin eher „ein Signal an die eigene Bevölkerung“. Putin wolle zeigen, dass er auch auf diplomatischem Wege alles versuche. Er wolle der Ukraine seine Bedingungen diktieren, und die seien schlicht eine politische Kapitulation.
„Totales Versagen“
Putin hat am Sonntag erneut klar gemacht, dass er an seinen Zielen festhalte und nicht haltmachen werde, bis die erreicht sind. Die Wichtigsten: Entwaffnung der Ukraine und uneingeschränkte Festlegung auf Neutralität.
Doch die Aussicht, diese Ziele, auf militärischem Weg zu erreichen, trübt sich für die russische Armee immer mehr ein. Dass die ukrainische Militärführung von 11.000 toten russischen Soldaten spricht und dazu von Hunderten zerstörten Panzern, mag weniger überraschen, als dass interne russische Quellen offensichtlich zu ähnlichen Ergebnissen kommen.
Die britische Times zitiert etwa ausführlich aus dem Bericht eines russischen Geheimdienst-Agenten. Darin ist nicht nur von mindestens 10.000 Toten die Rede, sondern auch von einem „totalen Versagen“ der russischen Armee. Eine detaillierte Lagebeurteilung sei gar nicht mehr möglich, „wir haben Kontakt zu mehreren Divisionen verloren.“
Entsprechend deutlich auch das Urteil westlicher Militärs. Der britische Generalstabschef Tony Radakin erklärte, die russische Armee sei „ins Chaos geschlittert“ und werde „dezimiert“.
Nicht nur der massive ukrainische Widerstand, auch Versorgungsschwierigkeiten machten den Russen zu schaffen: „Der Vormarsch der Bodentruppen wird dadurch stark verlangsamt.“ Es gibt auch immer mehr Berichte darüber, dass russische Soldaten ihre Fahrzeuge vor Kiew stehen lassen würden, um zu desertieren.
Die Zeit arbeite gegen Putin, meint auch der französische Außenminister Le Drian. Die Sanktionen würden Russlands Wirtschaft früher oder später kollabieren lassen: „Der Preis für den Krieg wird untragbar werden.“ In dem Bericht des russischen Geheimdienstlers gibt man daher den Russen noch Zeit bis Juni, um die Ukraine zu besiegen. Eine Besetzung des Landes sei mit den vorhandenen militärischen Mitteln nicht zu schaffen.
Gewalt gegen Zivilisten
Die Antwort Putins, so die Befürchtungen der Briten, werde furchtbar sein. Die russische Armee werde die Gewalt gegen Zivilisten verstärken, vor allem durch Luft-und Artillerieangriffe auf dicht bewohnte Gebiete. Man rechne mit einem ähnlich brutalen Vorgehen wie in den Kriegen in Tschetschenien: „Wahlloses Töten und Zerstören.“
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