Theoretisch möglich
Rein rechtlich gesehen sieht es anders aus. „Das europäische Recht legt nicht fest, wo Asylverfahren abgehalten werden müssen. Theoretisch wäre es also möglich“, sagt Migrationsexperte Martin Hofmann, „Verfahren außerhalb des schutzgewährenden Landes durchzuführen“. Wobei der Mitarbeiter am ICMPD, einer in Wien ansässigen internationalen Organisation, die sich mit Migrationspolitik beschäftigt, gegenüber dem KURIER festhält: „Es muss sicher gestellt sein, dass die hohe Qualität von Asylverfahren nach EU-rechtlichen Standards erhalten bleibt.“
Als einziger EU-Staat unternimmt nun die sozialdemokratische Regierung Dänemarks einen neuen Versuch, Asylsuchende nicht mehr ins Land zu lassen. Der Plan: Wer es nach Dänemark geschafft hat, soll in ein Auffanglager, am besten in Afrika, ausgeflogen werden und dort das Ergebnis seines Verfahrens abwarten. Die Regierung in Kopenhagen ist angeblich darüber mit Ruanda im Gespräch.
Nur rund 1.500 Personen stellten im Vorjahr in Dänemark einen Asylantrag – in Österreich waren es fast zehn Mal mehr. Aber selbst diese geringe Zahl von Anträgen in Ruanda zu bearbeiten, stellt Dänemark vor große Herausforderungen: Logistik und Aufwand sind sehr hoch – und dann müsste auch noch Ruanda zustimmen.
Ähnliche Ideen waren auch schon in Österreich zu hören. Bundeskanzler Sebastian Kurz liebäugelte mit einem Projekt von „Anlandeplattformen“ in Ägypten. Auffanglager in Bosnien, in Albanien, in Tunesien waren im Gespräch: Doch alle Staaten sagten letztlich – nein, nicht mit uns. „Migration ist auch in diesen Ländern ein hochheikles Thema“, sagt Experte Hofmann.Anders gedacht: Würde etwa Deutschland seine Asylwerber ins Ausland bringen, müsste das Empfängerland jedes Jahr an die 200.000 Menschen aufnehmen. Hofmann: „Man kann sich schwer vorstellen, dass ein Land dafür bereit wäre.“
Von der EU-Kommission in Brüssel, die sich seit Jahren vergeblich mit einer Reform der europäischen Migrationspolitik müht, kommen in diese Richtung keine Vorschläge.
Statt dessen propagiert man: Schon an den EU-Grenzen, also in Griechenland, Italien, Spanien sollen die Ankommenden sofort einem Schnellverfahren unterzogen werden. Dort soll festgestellt werden, wer überhaupt einen Asylantrag stellen darf. Alle anderen Migranten müssten zurückgebracht werden.
Dazu sagen Athen, Rom und Madrid: Ja – aber nur, wenn die Flüchtlinge dann verpflichtend per Quote in Europa verteilt werden. „Und das wiederum lehnt die Mehrheit der EU-Staaten ab“, sagt Martin Hofmann.
Alles beim alten Patt also in Europa – während die Migrations- und Asylzahlen nach Abflauen der Pandemie wieder steigen.
Manche EU-Staaten bleiben da bei ihren schon bisher angewandten informellen Mitteln, um Asylwerber abzuschrecken oder loszuwerden: Da wird gemauert – wie in Ungarn. Da wird oft durchgewunken – wie in Italien. Oder besonders schlecht versorgt – wie oft in Frankreich oder Belgien.
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