Muskaan erzählt, sie habe in der Schule viel über die EU gelernt und da auch einen guten Lehrer gehabt. Sie hätte aber gern eine Exkursion nach Brüssel oder Straßburg gemacht, um sich besser vorstellen zu können, was die Abgeordneten dort genau machen. Sie hat den Eindruck, dass sich diesbezüglich in ihrem Umfeld kaum jemand richtig auskennt: „Viele sind von EU-Themen überfordert. Vielleicht fällt es auch deshalb manchen schwer, den Sinn hinter der EU zu sehen und wählen zu gehen“, sagt sie.
Sie selbst hat bei der EU-Wahl aber schon abgestimmt. Im Vorfeld hat sie sich die Kandidaten in TV-Diskussionen genauer angesehen, auch ihre Persönlichkeiten hätten eine Rolle gespielt. Über soziale Medien habe sie sich nicht aktiv informiert: „Unbewusst haben sie mit ihren Algorithmen aber bestimmt gewirkt.“
Cornelia, 25, Studentin: "Kann mir Österreich ohne EU nicht vorstellen"
„Die EU steht für mich für Zusammenhalt, Vielfalt und Stabilität“, sagt die Niederösterreicherin Cornelia. Sie studiert Personalmanagement, koordiniert außerdem bei der Landjugend Auslandspraktika. Wenn sie da Erasmus-Aufenthalte vermittle, spüre sie die Union besonders: „Ich kann mir ein Österreich ohne EU nicht vorstellen – gerade, wenn ich mir anschaue, wie der Brexit abgelaufen ist.“ Derzeit betreue sie keinen einzigen Schüler, der ein Praktikum in Großbritannien machen könne, weil das mit den Visa so schwierig geworden sei.
Sie reist selbst gern und überlegt, nächstes Jahr ein Auslandssemester zu machen: „Ich bin froh, dass ich in der EU ohne große Beschränkungen herumfahren und gleichzeitig so einfach nach Hause telefonieren kann.“ Was sie verbesserungswürdig findet? „Ich habe das Gefühl, dass in der EU-Politik manchmal mehr gegeneinander statt miteinander gearbeitet wird.“ Vieles kommt ihr weit weg vor: „Man bekommt nicht immer genau mit, wie gewisse Entscheidungen getroffen werden.“
In der Schule habe sie schon über die EU gelernt, aber nur sehr theoretisch. Bei der Wahl am Sonntag war Cornelia wichtig, dass ländliche Regionen und die Landwirtschaft gestärkt werden, ist sie doch selbst auf einem Bauernhof aufgewachsen. Informiert hat sie sich über soziale Netzwerke, vor allem über Instagram, wo sie ein paar Medien, Parteien und Politikern folgt.
Denis, 28, Sportwissenschaftler: "Die EU vermittelt ein Gemeinschaftsgefühl"
Für Denis, der kurz nach dem EU-Beitritt 1995 als Sohn türkischer Eltern in Wien auf die Welt kam, vermittelt die EU „ein Gemeinschaftsgefühl“. Sie sei im Grunde „ein Versuch, Staaten mit gemeinsamen Werten zusammenzubringen“. Es frustriere ihn, dass Rechtsparteien dabei oft von „christlichen Werten“ sprechen. „Natürlich ist die Geschichte Europas vor allem christlich geprägt. Aber ich finde, die EU sollte religionsunabhängig bleiben.“
Die Türkei, das Herkunftsland von Denis’ Eltern, wartet bis heute auf den EU-Beitritt – obwohl sie seit 1999 offiziell Beitrittskandidat ist. Früher, als die Aussicht auf einen EU-Beitritt greifbarer war, sei die Familie oft zusammengesessen und habe darüber geredet, „wie schön das nicht wäre“. Als kleiner Junge habe er sich damals vorgestellt, wie die Verwandten „öfter zu Besuch kommen, vielleicht sogar hier Arbeit finden und ein Leben aufbauen könnten.“
Mittlerweile habe er sich damit abgefunden, dass der Beitritt in weite Ferne gerückt ist. Die EU vermittle ihm ohnehin schon den Eindruck, „dass es eine Herausforderung ist, gemeinsame Entscheidungen zu treffen. Und je mehr Staaten beitreten, desto schwieriger wird es.“
Als Kind habe Denis sich „vor allem als Türke gefühlt“, aber: „Je älter ich werde, desto stärker identifiziere ich mich mit Österreich“. Bei der EU-Wahl habe er deshalb schon früh gewusst, „dass ich genau so wählen werde, wie bei einer Nationalratswahl.“
Lucia, 26, Nachhaltigkeitsmanagerin: "Gemeinsam können wir mehr erreichen"
Lucia – ursprünglich aus Linz, jetzt in Wien – findet es gut, dass die EU-Länder Probleme gemeinsam angehen wollen: „Schaut man sich große Mächte wie China oder die USA an, macht es Sinn, geeint aufzutreten. Gemeinsam können wir mehr erreichen.“
Das treffe auch auf den Umwelt- und Klimaschutz zu, der ihr sehr wichtig ist und mit dem sie sich als Nachhaltigkeitsmanagerin bei einer NGO auch viel beschäftigt. Ohne EU-Vorgaben würde hier in den Staaten vielleicht weniger weitergehen, glaubt sie.
Auch, dass Unternehmen sich mit ihren Emissionen auseinandersetzen müssen, unterstützt sie, aber: „Teilweise schießt die EU übers Ziel hinaus, was Bürokratie angeht.“ Nicht alle hätten die dafür nötigen Ressourcen. Den europäischen Green Deal hält Lucia für besser als gar keinen EU-Umweltfahrplan.
„Er basiert aber auf der Idee, dass wir so weiterleben können wie bisher“, sagt sie. Produkte seien vielleicht „grüner“, man könne sie aber weiter im Überfluss konsumieren: „Technologischer Fortschritt allein wird nicht reichen. Es wäre wichtig, dass wir unser Verhalten ändern.“
Über die EU-Wahlergebnisse macht sie sich Gedanken. Einige der erfolgreichen Parteien würden die EU nicht direkt unterstützen. Dadurch ist die Union für sie weniger selbstverständlich. Für einen Überblick über die Parteiprogramme hat sie das Online-Tool „Wahlrechner“ verwendet.
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