In anderen EU-Ländern gab es diesmal ebenfalls ein eher unübliches Wahlverhalten der Jungen. So konnte die AfD laut Tagesschau in Deutschland, wo erstmals auch 16- und 17-Jährige wählen durften, bei den unter 25-Jährigen punkten. Sie landete hier mit 16 Prozent nur knapp hinter CDU/CSU, während die bei der Bundestagswahl 2021 noch auf dem ersten Platz gelegenen Grünen auch hier stark abrutschten.
Auch der junge Spitzenkandidat der rechtspopulistischen Partei RN in Frankreich, Jordan Bardella, gilt als bei den Jungen äußerst beliebt.
Große Unterschiede zwischen Ländern, Regionen, Schultypen
Man könne pauschal nicht sagen, wie junge EU-Bürger wählen, sagt Paul Schmidt von der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik, die viel an Schulen unterwegs ist: „Da gibt es ziemliche Unterschiede zwischen den Ländern, Regionen, sogar zwischen den Schultypen.“
Riesige Themen in den Bildungseinrichtungen seien leistbares Wohnen und Leben, aber auch Berufsaussichten. Dazu komme, dass die Integrationsdebatte ja sehr stark in den Klassenzimmern stattfinde. Auch über Krieg werde dort viel geredet. Dafür spricht auch die am Mittwoch in Berlin vorgestellte Sinus-Studie "Wie ticken Jugendliche?", wonach deutsche Teenager zunehmend besorgt sind - aufgrund der Vielzahl an Krisen und Problemen, wie eben Kriege oder auch der Klimawandel.
Schmidt erkennt einerseits ein großes Interesse Jugendlicher an der EU. Sie seien aber auch enttäuscht: „Sie wünschen sich Lösungen. Wenn die nicht kommen, tendieren sie dazu, teilweise radikalen Problemaufrissen zu folgen – unabhängig davon, ob eine Lösung angeboten wird oder nicht.“
Faktor soziale Netzwerke
Das sei ein Grund, warum Rechtspopulisten in einigen Ländern derzeit vergleichsweise gut an junge Menschen herankämen. Und: „Sie sind in den sozialen Netzwerken viel effizienter und besser unterwegs. Sie haben ja schon viel früher darauf gesetzt, weil sie das Gefühl hatten, dass sie von traditionellen Medien geschnitten werden.“ Instagram und Co. seien ideal, um mit Krawallgeschichten, Halbwahrheiten und Überschriften negative Emotionen zu wecken.
Ein anschauliches Beispiel dafür ist Bardella, um den gerade unter jungen Franzosen ein Hype entstanden ist. Auf TikTok nimmt er sie in seinen politischen Alltag mit, zeigt, wie er hinter den Kulissen Gummibären isst, Rosé trinkt und auf Wahlkampfveranstaltungen Selfies mit seinen Anhängern knipst. Er hat mittlerweile 1,6 Millionen Follower.
"Ich kenne mich nicht aus"
Soziale Netzwerke werden auch gern als Kanäle verwendet, um junge Menschen überhaupt zum Wählen zu motivieren. Dafür gäbe es aber auch noch andere Möglichkeiten, glauben die Experten. Laut einer Umfrage der Organisation YEP vor der EU-Wahl wollten 60 Prozent der Befragten zwischen 14 und 30 Jahren am Sonntag in Österreich wählen gehen. Ein Drittel jener, die nicht gehen wollten, sagte demnach zur Begründung: "Ich kenne mich nicht aus".
Expertin Praprotnik sieht darin einen Auftrag. "Studien zeigen, dass das Politikinteresse junger Menschen ganz stark davon abhängt, wie interessiert das Elternhaus ist", sagt sie. Da könne Schule mit bildungspolitischen Projekten ansetzen: "Wenn sie Politik erlebbar macht und Junge sehen, dass das auch für sie etwas ist, beteiligen sie sich wahrscheinlich mehr."
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