Keine Außenseiter mehr
Es handelt sich um keine politische Außenseiter-Formation mehr, wie noch der damalige Front National unter dem langjährigen Chef Jean-Marie Le Pen. Immer wieder war er wegen rassistischer und antisemitischer Aussagen mehrfach verurteilt worden.
Doch seine Tochter Marine Le Pen betreibt einen umfassenden Image-Wandel, seit sie die Partei 2011 übernahm. 2018 beschloss sie die Umbenennung in "Nationale Vereinigung", das klingt sanfter als "Front". Ihren eigenen Vater ließ sie ausschließen. Zur Strategie der "Entdämonisierung" passte auch, dass sich die französischen Rechtspopulisten nun von der deutschen AfD lossagten, mit der sie bisher in einer Fraktion im EU-Parlament, der ID, saßen. Die AfD war Le Pen zu radikal geworden.
Die Außenwirkung der französischen Rechtspopulisten hat sich zwar geändert, nicht aber das Programm. Jean-Yves Camus, Spezialist für politische Radikalität bei der Stiftung Jean Jaurès, spricht von einem "rein kosmetischen Wandel" der RN-Leute. "Ihre Losung heißt nationale Souveränität und sie lehnen alles ab, was diese in Frage stellen würde, also die EU und die NATO", so Camus. "Sie wollen die EU von innen heraus auflösen."
"Bardella-Mania"
Nur sagen sie das inzwischen nicht mehr so laut, weil eine Mehrheit der Franzosen keinen Frexit will. Auch für die Freundinnen Isaure und Marie-Capuce, die gerade den Vorraum des Saals betreten haben, ist das kein Thema. "Mir geht es um mehr Sicherheit. Als Frau fühle ich mich allein auf der Straße nicht wohl", sagt die 25-jährige Marie-Capuce. Daran könne "Jordan" bestimmt etwas ändern. Für sie habe der RN nichts Düsteres, die Zeiten eines Jean-Marie Le Pen seien lange vorbei. Trotzdem möchten sie ihren Nachnamen nicht sagen und auch kein Foto für die Presse. "Ich bin Juristin, das kann ich nicht machen", sagt Isaure.
Jetzt müssen sie aber weiter, um einen guten Platz zu erwischen. Im Saal dröhnt laute Diskomusik. Die Bühne ist mit einem riesigen Porträtfoto von Bardella dekoriert. "Wenn das Volk wählt, gewinnt das Volk!", steht daneben.
Seit Monaten berichten französische Medien über eine regelrechte "Bardella-Mania". 1,3 Millionen junge Menschen folgen ihm auf der sozialen Plattform TikTok. Laut Umfragen gilt er als bester rechter Oppositionspolitiker, überholt dort bereits Le Pen. Als sie 2022 den Fraktionsvorsitz der 89 RN-Abgeordneten in der Nationalversammlung übernahm, überließ sie ihm dauerhaft das Amt des Parteichefs. Manche munkeln schon, er könne sie stürzen. Doch die beiden betonen gerne, wie perfekt sie sich ergänzen.
Starke Umfragwerte trotz fachlicher Lücken
Verbrachte sie ihre Kindheit in einer Villa in einem noblen Pariser Vorort, so wuchs Bardella als Sohn italienischer Einwanderer in einer verrufenen Banlieue im Norden der Hauptstadt auf. Sein Geografie-Studium brach er ab, um früh in die Politik zu gehen. Mit seinen höflichen Manieren, den gut sitzenden Anzügen und dem reflexartigen Lächeln passt er ideal ins Bild. Auch wenn ihm Premierminister Gabriel Attal zuletzt bei einem TV-Duell Grenzen aufzeigte.
Attal verwies dabei auf einige fachliche Lücken und Unklarheiten Bardellas. Wie konnte es sein, dass er die europäische Strommarktreform, gegen die er im EU-Parlament stimmte, gar nicht gelesen hatte? Wie sollen französische Unternehmen noch exportieren, wenn das Land seinen eigenen Wirtschaftsraum schließe? In den Umfragen spiegelte sich Bardellas schwacher Auftritt allerdings nicht wieder.
Auch an diesem Sonntag im Pariser Konzertsaal hat er seine Anhänger schon überzeugt. Ihnen reicht das Versprechen, dass mit Bardella alles besser wird. Und bekommen sie noch ein Selfie mit ihm, dann ist die Freude perfekt.
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