Doch wie kam das mehrheitlich sunnitische Land mit den drittgrößten Erdgas-Vorkommen der Welt zu seiner einmaligen Stellung?
Die Wurzeln reichen in die 1990er-Jahre zurück. Damals war man mit den Entwicklungen beim übermächtigen Nachbarn Saudi-Arabien nicht einverstanden und schlug in der Außenpolitik eigenständige Wege ein.
Annäherung an Israel
Das mündete unter anderem darin, dass es im Gefolge des Oslo-Friedensprozesses zwischen Palästinensern und Israelis zu einer Annäherung an Israel kam: Ein katarischer Minister nahm 1995, sogar am Begräbnis des israelischen Premiers Yitzhak Rabin teil, der von einem rechtsextremistischen Landsmann erschossen worden war. Und in Doha wurde ein israelisches Handelsbüro eröffnet, das erst nach dem Gazakrieg 2008/2009 geschlossen wurde.
Später, in weiterer Folge des Arabischen Frühlings (ab 2011), setzte das Emirat auf islamistische Bewegungen wie die Muslimbruderschaft, aus der ursprünglich auch die Hamas hervorging. Der 1996 gegründete staatliche TV-Sender Al Jazeera wurde zum Propaganda-Instrument, auch gegen den „israelischen Aggressor“.
Doch der Golfstaat – von den 2,7 Mio. Einwohnern sind nur 10 Prozent katarische Staatsbürger – setzte auf das falsche Pferd. Nicht die vermeintlichen (islamistischen) Reformer behielten die Oberhand, sondern die alten Eliten (Syrien) oder Generäle (Ägypten) – mit Rückendeckung Saudi-Arabiens, das später, 2017, gemeinsam mit den Vereinigten Arabischen Emiraten ein drei Jahre währendes Embargo gegen Katar verhängte.
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Herrscher Tamim Hamad bin Hamad Al Thani, der 2013 als 33-Jähriger an die Macht kam, ließ sich auch davon nicht beirren und verfolgte weiterhin seinen ganz speziellen Weg: Geld, viel Geld für Gaza (seit der Machtübernahme der Hamas 2007 angeblich mehr als 2,1 Milliarden US-Dollar) – aber nicht hinter dem Rücken Israels, sondern mit der Zustimmung Jerusalems.
Denn den Regierenden dort war stets klar, dass diese Finanzspritzen mithelfen, eine soziale Explosion zu verhindern. Und zugleich eine enge Bindung an die USA – sichtbarstes Zeichen dafür: Die Al Udeid Air Base, wichtigster Luftwaffenstützpunkt der Amerikaner in der Region. Im Vorjahr erhob US-Präsident Joe Biden Katar sogar zum „Major Non-NATO Ally“. Dazu zählen die wichtigsten Verbündeten außerhalb des Verteidigungsbündnisses.
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Die Scheichs in Doha gefallen sich in dieser zwiespältigen Rolle – als moderne Staatsführung, die sich etwa bei der Fußball-WM 2022 als weltoffen präsentierte, sowie als Vermittler. Und zugleich als Unterstützer von Terrorregimen, wie etwa der Hamas. Der Analyst Jonathan Spyer in der "Jerusalem Post" dazu: Sie seien „Brandstifter und Feuerwehr“ in einem.
Wie auch immer, die Kataris sind für die USA gerade in der jetzigen Situation unverzichtbar, zumal sie sich in der Vergangenheit bereits mehrmals verdient gemacht haben – für die amerikanische Sache.
Afghanistan
Über das Taliban-Büro in Doha (2013, ein Jahr nach dem der Hamas eröffnet) konnte Washington mit der radikal-islamischen Miliz Kontakt halten. Nach dem US-Abzug aus dem Land am Hindukusch 2021 half Katar bei der Evakuierung von Zivilisten.
Iran
Auch bei der Freilassung von mehreren Amerikanern durch Teheran im September 2023 hatten die Scheichs am Golf ihre Finger im Spiel. Im Gegenzug eisten die USA sechs Milliarden eingefrorenen iranischen Ölvermögens frei.
Venezuela
Geheimgespräche zwischen dem Weißen Haus und dem Präsidentenbüro von Machthaber Nicolas Maduro wurden ebenfalls von Katar eingefädelt.
Und jetzt hoffen nicht nur die USA auf eine konstruktive Rolle Dohas im Gazakrieg.
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