Blinken kann bis Mittwoch noch auf beide Seiten Druck ausüben, seine in Doha vorgelegten „Überbrückungsvorschläge“ anzunehmen.
Hamas: Kein Nachbesserungsbedarf
Die Hamas beruft sich bei ihrer Weigerung auf den ursprünglichen US-Vorschlag vom 31.Mai. Sie habe diesen im Juli akzeptiert. So auch die israelischen Unterhändler. Es bestehe daher kein Nachbesserungsbedarf.
Israels Premier Benjamin Netanjahu hingegen bekräftigte auch am Sonntag drei für ihn „unverzichtbare Grundsätze“.
Er will der verabredeten Kampfpause im Gazastreifen während des mehrwöchigen Austauschs kein Kampfende folgen lassen.
Hamas fordert hingegen den vollständigen Rückzug Israels. Netanjahu will aber einen südlichen Korridor vor der ägyptischen Grenze nicht räumen. Zur Verhinderung von Waffenschmuggel.
Auch in der Mitte des Gazastreifens soll die israelische Armee weiter einen schmalen Korridor kontrollieren. Um die Rückkehr von Hamas-Bewaffneten in den Norden zu verhindern.
Israels Geheimdienste und Armee halten diese Forderungen für verzichtbar. Israels Unterhändler diskutierten bereits einen Verzicht am Verhandlungstisch. Doch der Premier pfiff sie zurück. Hinter den Kulissen beschuldigen Unterhändler in den Medien, ein Abkommen gezielt zu verzögern.
Netanjahu handelt dabei in einem problematischen Alleingang. Soll ein Kompromiss am Verhandlungstisch doch mehr als einen Austausch und Waffenstillstand bringen. Er soll auch die Ausweitung des Gaza-Krieges in einen regionalen Krieg verhindern. In den alle Anrainer-Staaten, vom Libanon über Jemen bis Iran, verwickelt wären.
Mehr noch: Laut Gesetz ist nicht der Premier Israels Oberster Befehlshaber.
Die Entscheidung über Krieg und Frieden liegt allein beim Kabinett. Und das wurde von Netanjahu bislang nicht wirksam am Entscheidungsprozess beteiligt. Hinter Netanjahus Forderungen stehen vor allem seine extremistischen Koalitionspartner. Sie haben keine Mehrheit. Die anderen Minister, auch die aus der eigenen Likud-Partei, halten sich bedeckt. Einige äußern offen ihre Befürwortung eines baldigen Austauschs.
Auf der Gegenseite entscheidet Jechije Sinwar allein. Mittlerweile ist er gewählter Chef der gesamten Hamas-Organisation. Sein Kontakt zur Außenwelt wird von Tag zu Tag enger.
Er verliert die Bodenhaftung im eigenen Territorium. Seine Krieger kämpfen bei der Verteilung der internationalen Hilfslieferungen offen gegen die eigene Bevölkerung. Äußert sich dabei in den chaotischen Flüchtlingslagern Unzufriedenheit, wird auch scharf geschossen. Ob Sinwar letztlich in einen Kompromiss einwilligen wird, ist keineswegs sicher.
Seine Kämpfer vermeiden so weit wie möglich den offenen Kampf. Nur noch spärlich kommt es zu Raketenangriffen auf Israels Süden. Dafür gehen die Angriffe der mit Hamas verbündeten libanesischen Schiitenmiliz im Norden weiter.
Tagtäglich: Raketen, Granaten und vor allem Drohnen. Mit dem angedrohten großen Vergeltungsschlag nach mehreren gezielten Tötungen von Hisbollah-Kommandeuren wartet Hisbollah aber noch ab. Bis die Verhandlungen um einen Austausch entschieden sind.
Die nächste Front
Eine weitere Front Israels verhärtet sich im besetzten Westjordanland. Die Angriffe gegen Siedler häufen sich. Selbst in Tel Aviv kam es in der Nacht zum Montag zu einer weithin hörbaren Explosion - es war ein „Arbeitsunfall“ von Terroristen. Unterwegs zu einem der in letzter Zeit selten gewordenen Sprengstoffanschlägen. Israels Armee jagt mittlerweile in den besetzten Gebieten mit Drohnen nach Untergrundzellen. Ein Austauschabkommen könnte auch hier beruhigend die Lage beeinflussen.
Doch mehr Sorgen macht sich Israels Premier um einen drohenden Fahndungsbefehl des Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag. Gegen ihn und weitere Führungspersönlichkeiten Israels. In dieser Sache tagten Kabinett wie Beraterstäbe bereits mehrfach.
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