Gähnende Leere in der Ewigen Stadt
Es nieselt auf der Piazza del Colosseo. Wo sich normalerweise im Frühjahr bereits Hunderte Touristen tummeln, sieht man keinen Menschen. Da taucht plötzlich Abdul auf. Der Mann aus Bangladesch möchte einen der vielen originalverpackten Regenschirme verkaufen, die er mit sich trägt. „Um 15 Uhr kommt starker Regen!“ Aber Abdul hat heute kein Glück. Wie schon seit Monaten nicht. Die Ewige Stadt ist so leer wie nie.
Seit einem Jahr ist reisen nicht mehr in der Form möglich, wie Europäer es lange gewohnt waren. Im letzten „normalen“ Tourismusjahr 2019 machte der Fremdenverkehr rund 13 Prozent der italienischen Wirtschaftsleistung aus. Mindestens zwei Millionen Menschen sind im Tourismussektor angestellt, heißt es auf KURIER-Nachfrage im italienischen Tourismusministerium.
236 Millionen Gäste fehlen
Die fehlenden Besucher treffen die ohnehin schon schwer kriselnde Wirtschaft massiv. Im Ministerium schätzt man, dass 2020 236 Millionen Touristen ausgeblieben sind. Ein Rückgang von 54 Prozent, auf das Jahr gerechnet. Die Ausgaben ausländischer Touristen sanken von 44 Milliarden auf 17 Miliarden Euro.
Wie die Vereinigung der Hoteliers von lokalen Medien zitiert wird, sind derzeit in Rom weniger als 10 Prozent der 1.100 Hotels geöffnet. Viele, die geschlossen haben, wollen auch nach dem Lockdown nicht aufsperren. Bei derart geringer Auslastung rentiere es sich nicht, heißt es.
Krise drückt Preise
Leerstehende Gästezimmer haben aber vor allem eines hervorgerufen: einen heftigen Preiskampf. Doppelzimmer im Zentrum um weniger als 100 Euro waren für jene Touristen, die es hier her geschafft haben, eine Okkasion. Auch Studenten und Smart Worker versuchten, einen Vorteil herauszuschlagen und mieten jetzt Ferienappartments in der Hauptstadt etwa für 500 Euro im Monat.
„Wir haben geöffnet“, sagt ein Angestellter eines Hotels im historischen Zentrum – „für Business-Gäste“, schränkt er ein. „Ehrlich gesagt“, fügt er hinzu, „fragen wir dann nicht nach, ob die Menschen wirklich für die Arbeit kommen“. Kürzlich habe jemand ein Dutzend Luftballons und Rosen aufs Zimmer bestellt. Ob das ein Businesstrip war, könne er nicht mit Sicherheit sagen.
Grüner Pass
Mit dem Impf- und Gesundheitszertifikat, das am Mittwoch in Brüssel vorgestellt wurde, versucht die EU-Kommission, Hoffnung und Perspektiven zu geben.
„Das Abschneiden der Touristmusindustrie in diesem Jahr hängt stark vom Trend bei den Impfungen ab“, sagt der neue Tourismusminister Massimo Garavaglia auf KURIER-Anfrage. Der Grüne Pass der EU sei "der erste Schritt" dafür. "Wir finden ihn sinnvoll", so Garavaglia.
„Es wird wieder werden“, ist Catharine Delmirani überzeugt. Die Österreicherin vermietet seit 1998 Zimmer an Touristen in Rom. Doch seit einem Jahr lebt sie „mehr oder weniger von Ersparnissen“. 2020 war ein mageres Jahr. Einige wenige Besucher aus Europa haben es in dieser Saison nach Rom geschafft. Doch sie kamen zu 90 Prozent aus Italien.
Hürden für Österreicher
Eine Gruppe, die momentan in Italien eine große Lücke hinterlässt, sind österreichische Touristen. Italien ist das beliebteste Urlaubsland der Österreicher – insbesondere auch in der Zeit nach Ostern. Doch von Österreich aus ist es derzeit besonders schwierig, nach Italien zu kommen. Für die Einreise benötigt man einen negativen Test vor der Einreise sowie einen nach der Einreise. Trotz der beiden Tests muss der Gast aus Österreich in jedem Fall 14 Tage in Quarantäne, bis er sich mit einem negativen Nachweis „freitesten“ kann. Die Verordnung ist der südafrikanischen Virusvariante geschuldet und gilt – von allen EU-Staaten – nur für Österreich.
Bei ihrem Besuch in Rom hat Europaministerin Karoline Edtstadler am Donnerstag gegenüber Tourismusminister Massimo Garavaglia deutlich gemacht, dass sich Österreich demnächst eine Lockerung erwartet. „Die aktuelle Regelung diskriminiert uns. Ich erwarte mir eine Lösung, die es ermöglicht, dass Österreicher in Italien Urlaub machen.“ Derzeit jedenfalls sei das „so gut wie unmöglich“, bedauert die Ministerin.
Faszinierend
Neben der wirtschaftlichen Misere ist das leere Rom aber auch ein beeindruckender Anblick. Eine Online-Ausstellung der Bibliotheca Hertziana sammelt Fotografien aus dem Corona-Lockdown, auf denen die berühmten Kulturstätten ohne Touristen zu sehen ist. Die Bilder sollen ein bleibendes Erbe für die Kunstgeschichte sein - und noch in Jahrzehnten an die Pandemie erinnern.
Bevor alles begann sah es in Rom nämlich noch ganz anders aus. Im Sommer 2019 hat der Stadtrat von Rom einen Erlass verabschiedet, der unter anderem das Baden in Brunnen, als Zenturio verkleidet von Bar zu Bar zu ziehen, oder auf der Spanischen Treppe zu sitzen, verbietet. Diese Regeln hatten vor allem ein Ziel: den überbordenden Massentourismus einzubremsen.
Im Frühling 2021 wirkt dieser Erlass wie aus einer anderen Welt.
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