Der Präsident muss Wähler mobilisieren. Denn so gut wie noch 2017, als er in der Stichwahl gegen Le Pen 66 Prozent erhielt, stehen seine Gewinnchancen nicht mehr, auch wenn ihn Umfragen weiterhin vorne sehen. Die hohe Stimmenthaltung von 26,3 Prozent gilt zudem als Zeichen des Verdrusses vieler Menschen.
Zwar haben die meisten der anderen Kandidaten vom Grünen Yannick Jadot über die Sozialistin Anne Hidalgo bis zur Republikanerin Valérie Pécresse Wahlempfehlungen für den amtierenden Präsidenten ausgegeben, um die extreme Rechte an der Macht zu verhindern. Eine solche „republikanische Front“ gab es erstmals bei der Präsidentschaftswahl 2002, als der Rechtsextreme Jean-Marie Le Pen, Vater von Marine Le Pen, überraschend die zweite Runde neben Jacques Chirac erreichte und einen Aufschrei in Frankreich provozierte.
Wie stark eine solche gemeinsame „Front“ gegen die Tochter heute noch sein kann, ist allerdings ungewiss. Vor allem viele Wähler des Linkspopulisten Jean-Luc Mélenchon, der mit 22 Prozent knapp auf dem dritten Platz landete, könnten sich entweder enthalten oder sogar Le Pen zuwenden. Denn: Wie Mélenchon verteufelt Le Pen Macron als „Präsident der Reichen“ und verspricht mehr soziale Gerechtigkeit. Der radikale Linke appellierte am Wahlabend allerdings an seine Anhänger, Le Pen „keine einzige Stimme“ zu geben.
Ihrerseits rief die Rechtsaußen-Politikerin „alle, die nicht Macron gewählt haben“, dazu auf, sich ihr anzuschließen. Sie erhielt die Unterstützung des Ultrarechten Éric Zemmour, der sieben Prozent erreichte, sowie des Souveränisten Nicolas Dupont-Aignan – der auf die Eigenständigkeit Frankreichs Pochende erhielt zwei Prozent.
Le Pen setzte im Wahlkampf weniger auf große Kundgebungen, sondern zog kleinere Begegnungen mit Menschen im ganzen Land sowie Fernsehauftritte vor. Diese Strategie wird die selbst ernannte Vorkämpferin der „kleinen Leute“ beibehalten, die gleich am Montag einen Getreidebauern besuchte.
Historische Schlappe
Derweil begann bei den übrigen Parteien das Wundenlecken. Acht der zwölf Kandidaten verfehlten die Schwelle der fünf Prozent, um knapp die Hälfte der Wahlkampfkosten erstattet zu bekommen. Noch gestern riefen der Grüne Jadot sowie die Republikanerin Pécresse zu Spenden auf. „Es geht um das Überleben der republikanischen Rechten“, warnte Pécresse, die nur 4,8 Prozent erhalten hatte. Besonders dramatisch ist der Absturz der Sozialisten, deren Kandidatin, die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo, mit 1,8 Prozent ein kaum zu unterbietendes historisches Tief der früheren Regierungspartei eingefahren hat.
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