Mit 33 Prozent der Stimmen wurde der rechte Rassemblement National (RN) bei der vorgezogenen Parlamentswahl in Frankreich vergangenen Sonntag stärkste Kraft. Hinter der Partei von Marine Le Pen landete das Linksbündnis "Neue Volksfront" mit 28 Prozent. Das Mitte-Lager von Präsident Emmanuel Macron, kam bei der Abstimmung am Sonntag auf 20 Prozent.
Die genaue Verteilung der Sitze in der Nationalversammlung entscheidet sich allerdings erst nach der zweiten Wahlrunde am Sonntag. Die wichtigsten Fragen und Antworten dazu.
Die Nationalversammlung setzt sich aus den Wahlsiegern der 577 Wahlkreise Frankreichs zusammen, wo jeweils das Mehrheitswahlrecht gilt. Das heißt: Um bereits nach dem ersten Wahldurchgang ins Parlament einziehen zu können, musste ein Kandidat mehr als 50 Prozent der Stimmen in seinem Wahlkreis holen, die zugleich einem Viertel der eingeschriebenen Wähler entsprachen.
In all jenen Wahlkreisen, in denen kein Kandidat im ersten Wahlganz über 50 Prozent kam, findet nun eine Stichwahl statt – für die sich all jene qualifiziert haben, die mindestens 12,5 Prozent der Stimmen geholt haben.
Das ist der Fall in den meisten Wahlkreisen in Frankreich bei dieser Parlamentswahl. In die Stichwahl kamen demnach nicht nur Erst- und Zweitplatzierte. Um den rechten Kandidaten zu verhindern, haben aber Dutzende Drittplatzierte des Linksbündnisses als auch von Macrons Lager angekündigt, auf die Stichwahl verzichten zu wollen. Insgesamt haben 214 Kandidaten diesen taktischen Rückzug angetreten.
Übrigens: Bei einer Stimmengleichheit in der Stichwahl gewinnt der oder die Ältere.
In wie vielen Wahlkreisen ist eine Stichwahl notwendig?
In 76 Wahlkreisen stand bereits nach dem ersten Wahldurchgang der Sieger fest, davon gewannen 39 Abgeordnete des RN inklusive Marine Le Pen in ihrem Wahlkreis im Norden Frankreichs. Vom Linksbündnis "Neue Volksfront" konnten sich 32 Abgeordnete direkt durchsetzen, wie aus offiziellen Zahlen des Innenministeriums hervorgeht. Vom Präsidentenlager konnten sich nur zwei Abgeordnete im ersten Durchgang die nötige Mehrheit sichern.
Die Nationalversammlung ist das Unterhaus des französischen Parlaments mit insgesamt 577 Sitzen, einem pro Wahlkreis; der Senat ist das Oberhaus. Beide Parlamentskammern müssen jedem Gesetz zustimmen. Sollten sie sich nicht einigen, hat die Nationalversammlung aber vor dem Senat das letzte Wort.
Verfassungsänderungen müssen beide Kammern absegnen, dazu kommen deren Mitglieder im sogenannten Kongress zusammen, wo eine Drei-Fünftel-Mehrheit notwendig ist.
Prognosen gehen davon aus, dass Marine Le Pens Rechtsextreme und ihre Verbündeten im Unterhaus mit 230 bis 280 Sitzen stärkste Kraft werden könnten. Die absolute Mehrheit mit 289 Sitzen würden sie damit aber verpassen. Auch die Linken könnten auf 125 bis 200 Sitze kommen. Macrons Liberalen droht, auf 60 bis 100 Sitze abzufallen.
Präsident Emmanuel Macron hatte am Abend der EU-Wahl als Konsequenz aus dem enttäuschenden Ergebnis für seine Partei und dem Wahlsieg des rechtsextremen Rassemblement National (RN) die Nationalversammlung aufgelöst und Neuwahlen für den 30. Juni und 7. Juli angesetzt. Macron wollte sich so nach der EU-Wahlniederlage schnell wieder Rückenwind sichern, dürfte sich allerdings verkalkuliert haben. Der RN erhielt fast zehn Millionen Stimmen – mehr als doppelt so viele wie bei der Parlamentswahl 2022, und auch deutlich mehr als bei der Europawahl Anfang Juni (7,7 Millionen).
Welche Folgen hätte ein RN-Sieg für die Macron-Regierung?
Sollte der Rassemblement National eine absolute Mehrheit von mindestens 289 Abgeordneten erzielen, kann er den Premierminister stellen, der dann die Regierung bildet. In diesem Fall soll der 28-jährige Parteichef Jordan Bardella diese Rolle übernehmen, während Marine Le Pen wie bisher Fraktionschefin bleibt. Ursprünglich hatte Bardella ausgeschlossen, ohne absolute Mehrheit Anspruch auf das Amt zu erheben. Mittlerweile hat er das revidiert.
Es käme dann zu einer sogenannten "Kohabitation" zwischen Präsident Macron und einer rechten Regierung. Es erscheint jedoch schwer vorstellbar, wie sich Macron und ein Premierminister Bardella auf eine gemeinsame Linie einigen sollen. Allerdings ist Bardella bei vielen Versprechen schon zurückgerudert. Beispielsweise sagte er, die Rücknahme der Rentenreform würde er nicht sofort angehen.
Müsste Macron im Falle einer rechten Mehrheit im Parlament zurücktreten?
Der Präsident hat diese Option ausgeschlossen und erklärt, bis zur nächsten Präsidentschaftswahl im ersten Halbjahr 2027 im Amt bleiben zu wollen. Die Verfassung garantiert dem Staatschef viel Macht, er kann einzelne Gesetze per Dekret erlassen, hat die Hoheit über die Sicherheits- und Außenpolitik und ist Oberbefehlshaber der Armee.
(kurier.at, jar)
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Aktualisiert am 05.07.2024, 18:40
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