Steinmeier: "Ein Präsident in schwieriger Zeit"

Viele Enthaltungen, aber große Mehrheit stimmte für den SPDler – die AfD funkte dazwischen.

Überraschung war es keine, dass Frank-Walter Steinmeier am Sonntagnachmittag die meisten Stimmen für sich gewinnen konnte – auch für ihn selbst nicht. "Gerne sogar", sagte der einstige deutsche Außenminister lächelnd, als Bundestagspräsident Norbert Lammert ihn launig fragte, ob er das Amt des Bundespräsidenten überhaupt annehmen wolle: Keine Frage, natürlich, schließlich hielt der SPDler da schon mehrere Blumensträuße in Händen.

Unmut in der CDU

Überraschender war da schon, dass der 61-Jährige deutlich weniger Unterstützung erhielt als erwartet: 931 Abgeordnete der Bundesversammlung votierten für ihn als parteiübergreifenden Kandidaten – 175 Stimmen weniger, als CDU/CSU, SPD, Grüne und FDP, jenen Parteien also, die sich im Vorfeld auf ihn verständigt hatten, eigentlich hätten. Eine Trotzreaktion? Durchaus möglich: Vor allem in der CDU hatte es gebrodelt, da Kanzlerin Angela Merkel bei der Kandidatensuche so gar kein glückliches Händchen bewiesen hatte. Nach Steinmeiers glücklosen Vorgängern Horst Köhler und Christian Wulff, die beide zurücktraten, konnte sie weder einen neuen Kandidaten finden, noch Joachim Gauck zum Weitermachen bewegen.

Dass die Wahl am Sonntag nun mit 103 Enthaltungen endete, mag dem Unmut der Unionsfraktion über ihre Kanzlerin geschuldet sein – und auch der Missgunst der SPD gegenüber. Dass die mit Martin Schulz an der Spitze von Umfragehoch zu Umfragehoch eilt, schmeckt vielen Konservativen gar nicht; und dass die SPD sich öffentlich über "ihren" Kandidaten im höchsten Amt des Staates freute, ebenso wenig – das Amt des Bundespräsident ist schließlich eine überparteiliche Funktion.

Botschaft an die AfD

Genau das versuchte Steinmeier in seiner Antrittsrede dann auch zu betonen. Er werde dafür arbeiten, das Vertrauen und den Respekt jener zu gewinnen, die nicht für ihn gestimmt haben, und dafür sorgen, Deutschland als "Anker der Hoffnung" zu vertreten, sagte er. Das war eine Botschaft, die sich vor allem an die AfD-Abgeordneten im Raum richtete: Frauke Petry, die als Landtagsabgeordnete auch an der Wahl teilnahm, schüttelte Steinmeier nur recht widerwillig die Hand; seinem Vorgänger Joachim Gauck verweigerte ihre Alternative geschlossen den Abschiedsapplaus. Eine Verhalten, das bei vielen anderen Wahlmännern und -frauen für Kopfschütteln sorgte – und die Erwartungshaltung auf Steinmeier noch erhöhte: "Er ist ein Präsident in schwieriger Zeit", sagte etwa Angela Merkel, die sich allerdings sichtlich über den Wahlerfolg freute; und auch Bundesratspräsident Norbert Lammert, der selbst kurz als Gauck-Nachfolger im Gespräch war, wählte mahnende Worte angesichts der Wahl : "Die Zukunft ist unberechenbarer geworden." Dass er damit nicht nur die anwesende AfD, sondern vor allem Donald Trump im Blick hatte, war leicht erkennbar.

"Mehr Steinmeiers"

Dementsprechend hoffnungsfroh sahen auch jene Prominenten, die die Länderkammern als Wahlberechtigte nach Berlin geschickt haben, die Rolle Steinmeiers: "Er könnte es schaffen, die Menschen einzusammeln, die uns verloren gegangen sind", sagte etwa Schauspielerin Iris Berben – sie war wie Bundestrainer Jogi Löw, Komiker Hape Kerkeling oder auch Sänger Roland Kaiser stimmberechtigt, weil viele Länder statt ihrer Abgeordneten gerne Menschen mit schillernder Außenwirkung in die Bundesversammlung schicken. Am auffälligsten darunter war mit Sicherheit die Dragqueen Olivia Jones: "Wir brauchen mehr Steinmeiers", sagte der Travestiestar mit orangem Haar.

Der Angesprochene gab das in seiner Rede quasi zurück: „Liebe Landsleute, lasst uns mutig sein!“, sagte er da – und erntete viel Applaus.

Steinmeier: "Ein Präsident in schwieriger Zeit"
Bisherige Bundespräsidenten in Deutschland- Zeitleiste, Fotos GRAFIK 0142-17, 88 x 125 mm

Der Bundespräsident hat in Deutschland vor allem repräsentative Aufgaben und wenig reale politische Macht. Er wird nicht direkt gewählt, sondern von einer Bundesversammlung, die nur zu diesem Zweck zusammentritt. Sie besteht aus den Abgeordneten des Bundestages und ebenso vielen Vertretern der 16 Bundesländer. Der Bundespräsident wird für fünf Jahre gewählt und kann einmal wiedergewählt werden.

Der in Deutschland populäre Steinmeier wird der zwölfte Bundespräsident seit Gründung der Bundesrepublik 1949, aber erst der dritte SPD-Politiker im höchsten Staatsamt. Er war von 2005 bis 2009 und dann wieder ab Ende 2013 deutscher Außenminister. Wegen seiner Kandidatur gab er die Leitung das Auswärtigen Amtes am 27. Jänner an Vizekanzler Gabriel ab, der bis dahin Wirtschaftsminister gewesen war.

Die Kür Steinmeiers vom Sonntag war in Deutschland der Auftakt zum Wahljahr 2017. Im Frühjahr werden drei Landtage und am 24. September der Bundestag neu gewählt. Bundeskanzlerin Angela Merkel kämpft dann als Spitzenkandidatin von CDU/CSU um eine vierte Amtszeit. Die SPD schickt als Herausforderer den früheren EU-Parlamentspräsidenten Martin Schulz ins Rennen. Dieser soll am 19. März auch Gabriel als SPD-Chef ablösen. Seit seiner Nominierung Ende Jänner sind die Umfragewerte für die Sozialdemokraten gestiegen.

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