Berlin: Bürgermeister mit Abflugticket

ARCHIV - Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) sitzt am 12.05.2012 beim Publikumstag auf dem Hauptstadtflughafen vor dem Schriftzug BER Flughafen Berlin Brandenburg im brandenburgischen Schönefeld (Dahme-Spreewald). Der Eröffnungstermin für den neuen Berliner Flughafen ist erneut geplatzt. Das Prestigeprojekt in Schönefeld bei Berlin kann nicht wie zuletzt geplant am 27. Oktober in Betrieb gehen. Foto: Patrick Pleul/dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++
Klaus Wowereits (SPD) Problem mit der Verdoppelung von Zeit und Kosten.

Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) steht unter massivem Druck: Die Eröffnung des Hauptstadt-Flughafens muss zum vierten Mal verschoben werden. Statt ursprünglich 2010 wird frühestens 2014, realistischerweise aber 2015, das dritte deutsche Luftdrehkreuz nach Frankfurt und München in Betrieb gehen können.

Der Empörung in Opposition, eigener Partei und Medien gab Wowereit am Montag Abend zum Teil nach: Er kündigte an, sein Mandat als Aufsichtsratschef der Flughafengesellschaft zurück zu legen. Das hatte er bisher entschieden abgelehnt. Vorwürfe, er habe seit fast einem Monat die böse Nachricht für Passagiere, Airlines und Steuerzahler zurück gehalten, wies er so zurück wie neue Forderungen nach seinem Rücktritt als Bürgermeister. Trotzdem rückt Wowereits Abflug aus dem Amt nun näher: Er war mit dem „größten Bauprojekt Ostdeutschlands nach der Wende“ sichtlich überfordert.

Filz und Fehler

Neuer Chef des Aufsichtsrats wird sein bisheriger Stellvertreter, Wolfgang Platzeck (SPD), Ministerpräsident von Brandenburg, in dem der Flughafen steht. Der will in der nächsten Landtagssitzung die Vertrauensfrage für sich stellen, muss aber nicht darum bangen. Platzeck regiert zusammen mit der „Linken“ so wie bis vor einem Jahr Wowereit. Platzeck trägt an den Fehlern fast soviel Verantwortung wie Wowereit.

Einer der ersten war, zur Besänftigung der auch in Berlin alle großen Infrastrukturprojekte bekämpfenden Grünen Kosten- und Zeitpläne optisch klein zu rechnen: Das führte später zu immer neuen Umplanungen und Zeitdruck beim ohnehin hyperkomplexen Projekt.

In dessen Steuerung wurde oft mit spontanen Personal- und Sachentscheidungen eingegriffen. Auch weil Wowereit und Platzeck keinen voll haftenden Generalunternehmer verpflichteten. Die Bauüberwachung durch sie war so oberflächlich, dass sie bei jeder Verzögerung aus den Wolken fielen.

Zu den größten Einzelfehlern zählen zu kleine Rolltreppen, Gepäckabfertigung und -ausgabe, ein immer wieder abstürzender Zentralcomputer, hunderte schwere Baumängel und als Dauerproblem die völlig unausgereifte Brandschutzanlage.

Dazu kommen Strukturmängel: Die einst politisch gewollte Nähe zur Stadt überrascht ihre Bewohner mit viel mehr tiefen Überflugrouten als versprochen. Die volle Anbindung des öffentlichen Verkehrs ist trotz der vielen Verzögerungen fraglich.

Vor allem aber: Der „BER“, so das neue Kürzel, ist schon jetzt zu klein: 2012 hatte Berlin erstmals 25 Millionen Passagiere auf den schon längst überlasteten Airports Tegel und Schönefeld. Bei diesen Steigerungen ist der BER 2015 an seiner Kapazitätsgrenze. Ob er dann gleich wieder um- und ausgebaut wird, ist offen: Die Lufthansa hat ihn als drittes Drehkreuz gestrichen, Air Berlin kämpft auch ohne die hohen Zusatzkosten wegen der Verzögerung bei ihrem neuen Heimatflughafen ums Überleben (siehe Seite 7).

Und natürlich laufen auch die Kosten total aus dem Ruder: Der Steuerzahler wird wohl fast fünf statt einst geplanter 2,8 Milliarden Euro zahlen dürfen. Berlins Image als Dienstleistungsstandort ist nun noch schlechter als bisher. Die nun noch längeren Provisorien und Verspätungen in Tegel und Schönefeld sind schon jetzt skandalös.

Aufforderungen an Wowereit, unter anderem vom grünen Fraktionschef Jürgen Trittin, auch als Bürgermeister zurück treten, steckt der noch weg. Das liegt auch am vorsorglichen Fehlen eines „logischen Nachfolgers“ aus seiner SPD. Und deren Drang, nach ihm die Koalition mit der CDU zugunsten der „Linken“ zu kippen.

Bei diesem überparteilichen Interessensfilz muss Ex-Medienliebling „Wowi“ den U-Ausschuss des Landesparlaments noch nicht fürchten: Zu dessen Chef machte es einen Jung-Piraten, der bisher nur mit dem Vergleich von deren raschem Aufstieg mit dem der Nazis auffiel.

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