Afghanische Flüchtlinge: Österreich bleibt hart
„Das ist die letzte Warnung des Islamischen Emirats Afghanistan an die türkischen Kräfte. Verlasst Afghanistan bevor militärische Operationen gestartet werden!“ – wer solche Botschaften aussendet, scheint sich seiner Sache sicher zu sein – und die Taliban sind sich ihrer Sache sicher. Die türkischen Kräfte, die hier zum Abmarsch aufgefordert werden, sind jene, die den Internationalen Flughafen in Kabul bewachen. Den Flughafen, wo regelmäßig aus Europa abgeschobene Afghanen landen. Noch kontrolliert den die offizielle afghanische Regierung, und die will diese Abschiebungen stoppen. Zu schlecht sei die Lage im Land, zu sehr seien die Taliban auf dem Vormarsch.
Einer entsprechenden Bitte hat Finnland am Montag stattgegeben, dort setzt man die Abschiebungen nach Afghanistan vorerst aus – wie auch die Ausstellung negativer Asylbescheide.
Österreich hält hingegen an den Abschiebungen nach Afghanistan fest. Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) sagte dazu: "Verträge sind einzuhalten." Die Europäische Union als "einer der größten Unterstützer und Financiers Afghanistans" müsse hier "langsam aufwachen". Es könne nicht sein, dass "Europa immer am kürzeren Ast sitzt" und dem "Druck anderer Staaten in Migrationsfragen ausgesetzt" sei, so der Außenminister.
Im Oktober 2016 gab es das erste Abkommen zwischen der EU und der afghanischen Regierung, um Abschiebungen zu vereinfachen. Seit April 2021 gibt es ein neues Abkommen, wonach sogar bis zu 500 afghanische Staatsbürger pro Monat zurückgenommen werden können. Das österreichische Asylamt bucht regelmäßig Charterflüge nach Afghanistan, die von Frontex aus verschiedenen Ländern Europas organisiert werden.
In Berlin verteidigte am Montag der deutsche Regierungssprecher Steffen Seibert das Festhalten an den Abschiebungen nach Afghanistan. Die entsprechenden Entscheidungen fielen weiterhin "auf der Basis einer immer wieder aktualisierten, sehr genauen Beobachtung der Lage" in den Herkunftsländern. Das deutsche Auswärtige Amt kündigte noch für diesen Monat einen neuen Bericht zur Sicherheitslage in Afghanistan an. Auf dieser Grundlage werde dann in der Abschiebungsfrage entschieden, "wie es weitergeht", sagte Seibert.
Wie es in Afghanistan weitergeht, scheint derzeit klar: Mit einem Vormarsch der Taliban. Immer wieder ergeben sich afghanische Soldaten, laufen über oder flüchten. Zwar beteuert die islamistische Miliz, keine Städte anzugreifen, die Realität sieht anders aus. Immer wieder rücken Kämpfer in Provinzhauptstädte ein oder umzingeln sie. Schon jetzt gibt es drei Millionen Binnenflüchtlinge im Land.
Neue Fluchtbewegungen
Zehntausende Afghanen, die es sich leisten können, beantragen ein Visum in die Türkei. Andere machen sich in Richtung iranische Grenze auf, die allerdings geschlossen wird. Der Iran leidet unter einer massiven Wirtschaftskrise, hat dieses Jahr an die 600.000 Afghanen abgeschoben. Rund 750.000 halten sich noch im Iran auf, jüngsten Berichten zufolge versuchen immer mehr, in die Türkei zu gelangen, wo sich bereits jetzt 130.000 aufhalten.
Laut einer Studie fliehen zwei Drittel der abgeschobenen Afghanen erneut aus dem Land. Schon die Tatsache, dass sie in Europa waren, stößt in Teilen der Gesellschaft auf Ablehnung, auf den Vorwurf der "Verwestlichung“, wie eine Studie zeigt. Waren früher viele Menschen nach Pakistan geflohen, wird sich das in Zukunft schwieriger gestalten, denn auch Islamabad macht die Grenzen dicht. 1,5 Millionen afghanische Flüchtlinge sollen sich derzeit im Land aufhalten.
Eine weitere mögliche Route nach Europa scheint über Weißrussland zu führen. Als Antwort auf die EU-Sanktionen setzt Diktator Lukaschenko auf die „Erdogan-Karte“, will Europa mit illegalen Flüchtlingen und Migranten erpressen. Viele kommen direkt mit dem Flugzeug von Istanbul nach Minsk und werden dann über Litauen in die EU geschickt. Litauen hat eine fast 680 Kilometer lange Grenze zu Weißrussland. Litauen berichtet seit Juni von einem Anstieg der Einreisenden Migranten. 1.300 Menschen kamen heuer. Im Vergleich: Im Vorjahr wurden 81 in Litauen registriert.
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