Für sie ist klar: Es gibt den Bedarf einer neuen Bewegung in
Ungarn. Und sie hat auch eine sehr genaue Vorstellung, wie diese aussehen soll. „Liberal, konservativ, pro-europäisch.“
Es sei schade, dass gerade diese Begriffe mittlerweile so negativ konnotiert sind. Alles Konservative gelte als „rechts“, alles Liberale als „grenzenlos“, man müsse diese Begriffe zurückgewinnen. Konservativ zu sein und die christlichen Werte zu vertreten, liberal zu sein und damit offen und innovativ, sei doch nichts Schlechtes, sagt Tondolo-Pallavicini im KURIER-Gespräch.
Die 48-Jährige macht kein Hehl daraus, dass sie
Viktor Orbáns Politik einmal etwas abgewinnen konnte: „Er war einmal sehr charismatisch – auch für mich. 1998 hätte ich nicht gedacht, dass es so weit kommt, dass ich das einmal revidieren werde.“
Jetzt revidiert sie. „Ungarn braucht Reformen. Diese
Regierung braucht Reformen“, sagt die Frau, die seit Sommer nicht mehr Beraterin der Regierung ist.
Die Rechtsstaatlichkeit Ungarns liege im Argen. Das Justizsystem sei eng verwoben mit der Politik – ein ständiger Vorwurf auch der EU-Kommission. „Das finde ich ungesund“, sagt Tondolo-Pallavicini. „Keine Macht kann über der Justiz stehen.“
Neben der Justiz gehören in ihren Augen auch die öffentlichen Ausschreibungen wieder transparenter gemacht. Freunde und Verwandte des Premiers sind bekannt dafür, die lukrativsten Projekte zu gewinnen. Dieses Problem sei nicht nur mit mehr Transparenz zu lösen, sagt Tondolo-Pallavicini: „Orbán muss diese Eliten, die nur noch mit dem Helikopter herumfliegen, entfernen. In seinem eigenen Interesse. Nur die Starken können auch Fehler zugeben.“
Sie möchte nicht ausschließen, dass Orbán zu den notwendigen Reformen zu bewegen wäre. „Auch er kann sich neu erfinden.“ Doch für eine Neuaufstellung müsse er viel Personal austauschen.
In Ungarn sei alles sehr zentral gesteuert – zu zentral. „Die Regierung ist wie eine Soldatentruppe.“ Alle Staatssekretäre und ihre Stellvertreter seien dem Premier untergeordnet, er höre nur auf eine Handvoll Berater. Er mache eine elitäre Politik. „Der Dialog mit dem Volk wäre so wichtig, aber er geht nicht unter die Menschen. Es wird ja nicht einmal innerhalb der Regierung wirklich kommuniziert.“ Sie habe Orbán noch nie in einer Debatte gesehen.
Nicht nur innerhalb des Landes gibt es diese Kommunikationsprobleme. Auch außerhalb. Ungarn hat sich unter der Führung Orbáns als Enfant Terrible in der EU herauskristallisiert. „Ich selber habe der Regierung geraten, mit westlichen Staaten mehr zu reden – ohne Erfolg“, erinnert sich Tondolo-Pallavicini.
Ob sie eine Partei gründen möchte, will sie weder verneinen, noch bestätigen. „Ich habe keine Ambitionen, in die Politik zu gehen, um mich zu verwirklichen“, sagt Tondolo-Pallavicini. Aber wenn man mich fragt, ob ich Teil einer solchen Bewegung sein will, dann sage ich ja! Es geht darum, welches Ungarn ich meinen Kindern hinterlassen will.
Eine neue Bewegung könnte der politikverdrossenen Jugend eine Perspektive bieten und den Ungarn im Ausland wieder ein besseres Image geben. „Die jungen Ungarn sollen sich in Europa zuhause fühlen, stolz sein, Ungarn zu sein.“
Vorbild Österreich
Ob die „neue“ ÖVP unter Sebastian Kurz ein Vorbild sei? Zumindest habe sie nicht schlecht gefunden, wie er als Außenminister gearbeitet habe.
Doch vor allem die österreichische Expertenregierung beeindrucke sie. „Eigentlich sollte jede Regierung eine Expertenregierung sein“, sagt sie und fügt hinzu: „Mit einer charismatischen Führungsperson. Das brauchen die Menschen.“ Ein guter Premier wähle ohnehin gute Experten für seine Regierung.
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