EVP-Abschluss: Ibiza in Bayern

EVP-Abschluss: Ibiza in Bayern
In München traf sich die EVP, um Weber zu unterstützen. Sein Wahlhelfer aus Österreich fehlte, war aber doch irgendwie da.

Eigentlich hätte sein Auftritt Spitzenkandidat Manfred Weber noch einmal Rückendeckung geben sollen, aber Sebastian Kurz sagte kurzfristig ab, meldete sich nur via Video-Botschaft. Die Aufmerksamkeit wäre ihm gewiss gewesen. Die Ibiza-Affäre und das Ende der Koalition sorgte in Deutschland für Staunen und Schlagzeilen. Klar, Kurz hat wie kein anderer die deutschen Konservativen sowie ein Spektrum der deutschen Presse umgetrieben.

Freitagabend bleibt er also aus "Staatsräson" in Wien. In München rollen am späten Nachmittag langsam die Busse mit sämtlichen CDU-Ortsverbänden vor – nichts will man dem Zufall überlassen. Im Foyer der Halle spielt eine Blasmusikgruppe in einem nachgebauten Biergarten, junge Helfer verteilen Schals mit Webers Konterfei. Drinnen liegen auf Stühlen Fähnchen und Plakate bereit, mit denen der Moderator das Publikum später animiert. So aufwendig die Inszenierung samt Akrobaten und Geigerin aus Österreich und hochrangigen Gästen wie den Ministerpräsidenten aus Kroatien und Bulgarien ist, so bescheiden fällt der Andrang aus. "Da hätten schon ein paar mehr Platz gehabt", raunt eine Besucherin ihrer Sitznachbarin zu.

Effekt aus Österreich

Bei aller Harmonie und Geschlossenheit, die der Abend vermitteln soll, sind die Ereignisse in Österreich das große Gesprächsthema drinnen wie draußen an den Bierständen. Das zeigt, dass man vorsichtig sein muss, mit wem man sich zusammentut, meint ein mit Weber-Schal ausgestatteter CSU-Anhänger, seine Frau nickt. Aber er fände es schon schade, wenn Kurz gehen müsse. Wie sich der "Ibiza-Effekt" auf CDU und CSU bei den Europawahlen auswirkt, wagt kaum einer zu prognostizieren.

In den Umfragen rangiert die Union bei 28 bis 30 Prozent. Einige haben die Sorge, dass die Rechten weiter gestärkt werden könnten - AfD-Chef Jörg Meuthen hält weiter zur Schwesterpartei FPÖ. Andere hoffen, dass abgewanderte Wähler doch umkehren, um ihr Kreuz bei der Union machen.

So sind in München an diesem Tag vor allem kämpferische Töne nach rechts zu hören. Aus Manfred Webers Mund überraschen sie nicht. Der Niederbayer will Kommissionspräsident werden und hat sich nach langem Hin- und Her gegen Viktor Orban ausgesprochen. Dass der Koalitionspartner und Freund aus Österreich sich ebenfalls seiner rechten Partner entledigt hat, kommt ihm nur entgegen. Auch Ministerpräsident Markus Söder ruft auf, die Extremen zu bekämpfen. Mit Blick auf den Skandal in Österreich spricht er von Politikern, "die nicht seriös arbeiten und regieren wollen“. Eine Zusammenarbeit mit Rechtspopulisten kommt nicht in Frage, sagt jener Mann, der sich noch vor einem Jahr selbst wie einer gab. Nicht zu vergessen die Achse Rom-Berlin-Wien, die CSU-Innenminister Horst Seehofer und Sebastian Kurz in Berlin ausriefen. Ausgerechnet zu jenem Zeitpunkt als sich die Union über die künftige Flüchtlingspolitik stritt und Söder kräftig mittrieb. Nun steht er auf der Bühne, lächelt milde und spricht mit Blick auf die Kanzlerin davon, „Europa zu versöhnen“.

Und Merkel?

Was an diesem Abend in Angela Merkels Kopf vorgeht? Stille Genugtuung? Kenner berichten, dass sie nicht unglücklich war, als sie vom Ende des türkis-blauen Experiments in Österreich hörte. Die Verbindungen der FPÖ zu Russland und die Angst, dass der österreichische Geheimdienst deutsche Informationen weitergebe, hätten sie besorgt. Es ist auch kein Geheimnis, dass sie mit Kurz in vielen Punkten nicht übereinstimmt. Sein Abrücken vom UN-Migrationspakt hat sie verärgert, berichten Insider.

Heute wirkt sie jedenfalls entspannt. Beim Einzug in die Messehalle lässt sie ihrer Nachfolgerin Annegret Kramp-Karrenbauer den Vortritt. So wie sie sich in den vergangenen Monaten aus dem Europawahlkampf herausgehalten hat. Amtsmüde, keine Lust mehr, alles Vorzeichen ihres baldigen Abschieds? Darüber spekulierte die halbe Hauptstadtpresse. Merkel ließ sie allerdings kürzlich wissen, dass sie demnächst keine überraschende Entscheidung zu ihrer beruflichen Zukunft plant. Gut möglich, dass sie im Wahlkampf einfach ihre Nachfolgerin ranlassen wollte, die sich profilieren muss. Andernfalls würde es heißen, Kramp-Karrenbauer komme nicht zum Zug.

Also sitzt Merkel nun in der ersten Reihe, die Füße ausgestreckt und klatscht fröhlich nach der Rede des polnischen Präsidenten und Friedensnobelpreisträger Lech Wałęsa. Mit Besuchen in Bayern hatte sie in den vergangenen Jahren keine guten Erfahrungen gemacht. Da war die öffentliche Zurechtweisung von Seehofer beim Parteitag 2015; zwei Jahre später wurde sie bei einer Wahlkampfrede in München ausgepfiffen. Das geladene Publikum in der Messehalle empfängt sie da wesentlich freundlicher. Nach ihrer zehnminütigen Rede gibt es sogar Standing-Ovations.

Selbst wenn die Union nun mäßig bis schlecht abschneidet und es wieder rumort, kann man sie kaum dafür haften lassen. Das Ergebnis wird vermutlich ihrer Nachfolgerin zugerechnet, die ununterbrochen im Wahlkampf unterwegs war - auch um ihren Rückhalt in der Union zu zementieren. So wie es aussieht, könnte Merkel noch länger im Kanzleramt bleiben, als manche erwarten - was man von ihrem österreichischen Kollegen noch nicht sagen kann.

Kommentare