Der Glaube fehlt
Später im Gespräch mit dem KURIER, wird der Kirchenmann dann schon deutlicher. Trump sei einfach ein selbstsüchtiger Angeber und außerdem zynisch: „Ich teile nicht nur viele seiner Ansichten nicht, ich weiß nicht einmal, ob ich ihm überhaupt noch glauben kann.“
Grundsätzlich, macht der Pastor deutlich, seien ihm die Republikaner immer näher gewesen. Eine Haltung, die wohl die große Mehrheit der gläubigen Christen in diesem immer noch tiefreligiösen Land teilen würden.
Donald Trump hat seinen überraschenden Wahltriumph 2016 auch den Kirchgängern zu verdanken. Vor allem die Evangelikalen, also jene tiefgläubigen Kirchengemeinden, die die Bibel wörtlich nehmen und ihr ganzes Leben daran ausrichten, haben ihre Stimmen zu mehr als 80 Prozent dem Millionär mit dem nicht gerade christlichen Lebenswandel gegeben.
Der Grund dafür wird bei Gesprächen in diesen evangelikalen Gemeinden rasch klar. Trump hat dem US-Höchstgericht jetzt tatsächlich die konservative Mehrheit verschafft, die er schon in seinem ersten Wahlkampf versprochen hatte. Und dieses Höchstgericht hat das letzte Wort, bei zwei der wichtigsten Anliegen fast aller evangelikalen Christen in den USA: das Verbot von Abtreibung und der Ehe von Homosexuellen.
Es sind Streitfragen, die die dieses Land seit Jahrzehnten spalten – und die Debatte darüber ist unter Trump noch wilder und unversöhnlicher geführt worden als zuvor. Dieses Land fuße eben auf biblischen Prinzipien, macht sich Kathy eine evangelikale Christin für Trump stark, „denn wenn wir Biden wählen, dann bricht dieses Fundament ein.“
Doch so klar ist diese Haltung für viele von Kathys Glaubensbrüdern nicht mehr. Dass die Demokraten schlicht der ungläubige Feind seien, wie es evangelikale Prediger seit Jahrzehnten auch von der Kanzel herunter predigen, dass fällt vielen in den Gemeinden in Anbetracht von Donald Trump schwer zu akzeptieren und zu glauben. Da hilft auch der populäre Aufkleber nicht, den man vor den Kirchen oft auf geparkten Autos sieht: „Glaubt an Donald Trump.“
Zerrissen fühle man sich, erzählen viele Evangelikale in privaten Gesprächen, zwischen einem Präsidenten, den man einfach nicht mehr wählen wolle, und den Demokraten, die man immer noch nicht wählen könne.
In den Werbungen evangelikaler Gruppen, die in diesen Tagen vor der Wahl unaufhörlich und in bedrohlichem Ton aus dem Radio dröhnen, sind solche Zweifel verpönt. Da mahnen bekannte Prediger überdeutlich, dass es Pflicht für jeden Gläubigen sei, „für das Leben“ zu stimmen. Ohnehin klar, wer damit gemeint ist.
Über die menschlichen Fehler des Präsidenten – vom Ehebruch bis zum Umgang mit Frauen – sehen die Strenggläubigen zuletzt doch hinweg. Menschen seien eben sündig, auch der Präsident. Außerdem, kommt dann oft noch ein sehr politisches Argument ins Spiel, habe er sich unzweifelhaft auf die Seite Israels gestellt.
Pastor Richards Gemeinde ist dagegen liberal und damit auch politisch nicht so festgefahren, auch wenn man sich grundsätzlich lieber von Parteipolitik fernhält. „Ich zweifle derzeit eigentlich an beiden Parteien“, will sich Kate, seit Jahrzehnten Gemeindemitglied, nicht gerne in die Karten schauen lassen. Wählen aber werden sie und ihr Mann Richard, das sei doch demokratische Pflicht. „Wir hätten nur gerne einen Präsidenten, vor dem wir Respekt haben können. Und da tun wir uns derzeit wirklich schwer.“
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