Der Sieg von Geert Wilders in den Niederlanden begann sich gerade erst abzuzeichnen, da meldete sich ein gewichtige Stimme aus Paris mit noch gewichtigeren Sorgen: „Ist Europa in Zukunft von einer Blockade-Minderheit der Rechtsaußen-Parteien abhängig?“, fragt sich Stephane Sejourne im Politikmagazin "Politico".
Absturz droht
Sejourne ist die Stimme der „Renaissance“-Partei von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron im EU-Parlament – und er ist dort Chef der liberalen Fraktion von „Renew“. Gerade in wichtigen Zukunftsfragen gab es im EU-Parlament eine verlässliche Mehrheit von Links bis Mitte, also von Liberalen, Sozialdemokraten und der Europäischen Volkspartei. Doch die Macron-Partei ist nicht die einzige, der bei den kommenden Europawahlen ein dramatischer Absturz droht.
Die Stimmen dürften vor allem zu den Parteien der Fraktionen am Rechten Rand wandern: Zur ID, zu der die FPÖ gehört, und zur EKR, mit der Partei von Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni als führende Kraft.
„Europa unregierbar?“
So sehr sich diese beiden Fraktionen in vielen Fragen uneinig sind, wenn es um die großen zukunftsorientierten Entscheidungen im EU-Parlament geht, wie etwa den „Green Deal“, macht man bei der politischen Blockade gemeinsame Sache. Wenn aber die Parteien von Links bis Mitte nicht mehr über 50 Prozent bei den Europawahlen kommen, ist diese Blockade von Rechts nicht mehr zu überwinden. Für den Liberalen Sejourne geht es also um eine ganz reale Gefahr und eine entscheidende Frage: „Wird Europa dann unregierbar?“
Auch Andreas Schieder, SPÖ-Delegationschef im EU-Parlament, sieht den Vormarsch der Rechtsaußen-Fraktionen mit Sorge.
Für den Wilders-Sieg in den Niederlanden macht er auch die dortigen Konservativen verantwortlich. Die hätten Wilders und seine Ideen „salonfähig“ gemacht: „Dann gilt wie immer das politische Prinzip, dass die Wähler lieber gleich zum Schmied als zum Schmiedl gehen.“
Schwierige Kommissare
Für Schieder birgt eine Stärkung der Rechtsaußen-Fraktionen nicht nur für das EU-Parlament Risiken, sondern auch für die EU-Kommission: „Mit was für Kommissaren muss man dann aus diesen Ländern rechnen – und welche politischen Querschüsse sind von denen zu erwarten?“
Gescheiterte Gesetze
Doch die stabile Mehrheit für wichtige Zukunftsfragen sieht der Sozialdemokrat Schieder im EU-Parlament ohnehin nicht mehr. Gerade zuletzt habe sich gezeigt, dass die Europäische Volkspartei oft mit Rechtsaußen-Fraktionen auf einer Linie liege. Beim gerade gescheiterten Gesetz für Pestizide in der Landwirtschaft war die Europäische Volkspartei eine der stärksten Kräfte für das „Nein“. Unterstützung kam aber nicht nur von Rechtsaußen, sondern auch von Sozialdemokraten aus Italien, oder Spanien. Gerade grüne Gesetzespläne kommen im EU-Parlament derzeit wenn überhaupt nur sehr verwässert über die Ziellinie.
Ob in Klimafragen, oder angesichts der aktuellen weltpolitischen Spannungen: Europa tut sich immer schwerer zu einer gemeinsamen Haltung zu finden. Und das, meint der Franzose sorgenvoll, „wo man die europäische Einigkeit mehr braucht denn je.“
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