Get Brexit done, erledigen wir den Brexit, war vor dem Austritt Großbritanniens aus der EU das Mantra des konservativen Regierungschefs Boris Johnson. Seit dem Neujahrstag ist es nun so weit, der Brexit ist endgültig vollzogen. Mit dem Ende der Übergangsfrist nach dem offiziellen EU-Austritt am 31. Jänner 2020 ist das Vereinigte Königreich auch kein Teil des Binnenmarktes und der Zollunion mehr.
48 Jahre nach dem Beitritt zur EWG ist das Inselreich wieder Einzelkämpfer – ganz so, wie Johnson und eine Mehrheit der Briten es 2016 wollten. „Wir haben die Freiheit in unseren Händen, und es liegt nun an uns, das Beste daraus zu machen“, sagte der Premier in seiner Neujahrsansprache an das britische Volk.
Das sah die Sache großteils nüchtern, gibt es doch derzeit einen weitaus unangenehmeren Gegner als es Brüssel je war: das Coronavirus.
Am ersten laut Johnson „freien“ Tag war auf den Straßen denn auch wenig von den Veränderungen des EU-Austritts zu bemerken. Das lag wohl am Feiertag, aber vor allem daran, dass ein Großteil Englands weiter den strengsten Corona-Beschränkungen unterliegt.
Keine Staus in Dover
Medien berichteten von einem ruhigen Start ins Jahr 2021 auch an der britisch-französischen Grenze in Dover, wo Experten aber ab Montag Lastwagen-Staus befürchten. Die ersten Zollkontrollen am Eurotunnel unter dem Ärmelkanal verliefen am Freitag reibungslos, es waren nur wenige LKW unterwegs.
Eine Sky News-Reporterin in Dover berichtete, einige Lastwagen mussten umdrehen, weil die Fahrer nicht den nötigen Coronatest-Nachweis hatten. Aber insgesamt war es „so ruhig und ordentlich, dass man nicht erkennen würde, dass es ein solch historischer Tag ist“.
Das Land habe den finalen Brexit „auffallend zurückhaltend“ begangen, meinte auch der Guardian am Freitag. Anders als beim Austritt Ende Jänner gab es coronabedingt keine großen Veranstaltungen, weder vonseiten der „Brexiteers“ noch vonseiten der Brexit-Gegner.
Zu diesen zählt auch die schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon. Sie will sich mit dem Brexit, den die Schotten mehrheitlich abgelehnt haben, bekanntlich nicht abfinden und hat für 2021 ein neues Referendum über eine Unabhängigkeit von Großbritannien angekündigt. „Schottland wird bald zurück sein, Europa“, twitterte sie gestern. „Lasst das Licht an!“
Dass die Debatten über den Brexit und seine Folgen auch 2021 weitergehen werden, hatte sich bereits bei der Londoner Feuerwerks- und Lichtershow zum Start des neuen Jahres gezeigt. Sie enthielt Dank an die „Helden“ des nationalen Gesundheitssystems NHS, eine „Black Lives Matter“-Faust und einen Aufruf von Naturforscher-Legende Sir David Attenborough zur Rettung des Planeten.
Manche der Themen und die Tatsache, dass für die Show die EU-Farben Blau und Gold verwendet wurden, etwa zur Beleuchtung von Brücken, stieß einigen Boulevardmedien und Social Media-Usern übel als Politisierung auf. Bürgermeister Sadiq Khan twitterte, die Show wollte verschiedene Botschaften von London an die Welt senden, darunter auch: „EU-Bürger werden immer willkommen sein“.
Gibraltar-Status geklärt
Der künftige Status eines zwar kleinen, aber wichtigen britischen Landesteils war nur Stunden vor dem endgültigen EU-Ausstieg geklärt worden: jener von Gibraltar am südlichsten Zipfel der iberischen Halbinsel.
Spanien und Großbritannien einigten sich, das seit Jahrhunderten umstrittene Überseegebiet in den Schengen-Raum aufzunehmen. Es wird dadurch dort keine undurchlässige EU-Außengrenze geben, Gibraltar rückt enger an Spanien und die EU.
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