Europa im Lockdown: Wo überall zugesperrt wird
Während Österreich sich mit Verordnungen herumschlägt, die das rasante Wachstum der Corona-Infektionen bremsen sollen, setzt man in anderen Teilen Europas deutlich drastischere Maßnahmen: In vielen Ländern wurden wieder Lockdowns verordnet - wie schon im Frühling.
Wenig Wunder, schließlich ist Europa der neue Krisenherd der globalen Pandemie: In den vergangenen zehn Tagen hat sich die Zahl der Infektionen auf dem Kontinent mehr als verdoppelt. Am Donnerstag stieg die Zahl der neuen Fälle in Europa erstmals über die Marke von 200.000; damit waren insgesamt 7,8 Millionen in Europa infiziert, 247.000 Tote sind zu beklagen.
Die Vorgehensweisen der verschiedenen Länder allerdings unterscheiden sich stark voneinander. Hier ein Überblick:
Irland: Als erstes Land wieder zugesperrt
Irland hat am Mittwoch den Anfang gemacht - und das, obwohl die Zahlen auf der Insel im Vergleich durchaus moderat sind: Etwa 1000 Neuinfektionen verzeichnete man zuletzt, und das bei etwa fünf Millionen Einwohnern. Österreich hat derzeit ähnlich hohe Inzidenzwerte.
Nichtsdestotrotz heißt es für die Iren jetzt „stay at home“: Ausgangssperren für sechs Wochen wurden angeordnet, alle nicht notwendigen Geschäfte sind geschlossen, ebenso wie Pubs, Restaurants und Bars. Besucher fremder Haushalte sind in Innenräumen auch nicht mehr gestattet - einzig die Schulen und Kinderbetreuungseinrichtungen bleiben offen, auch das Baugewerbe ist ausgenommen.
Wales: Zwei Wochen lang Stillstand
Auch Wales setzt jetzt drastische Schritte. Ab Freitagabend gilt ein strikter temporärer Lockdown bis zum 9. November. Weiterführende Schulen müssen auf Online-Unterricht umsteigen, nur Grundschulen bleiben geöffnet. Auch Bars und Restaurants müssen schließen, Treffen zwischen verschiedenen Haushalten sind verboten.
In den vergangenen Tagen zählte der britische Landesteil jeweils rund 950 neue Corona-Infektionen. Wales hat gut drei Millionen Einwohner.
Belgien: Zurück im Teil-Lockdown
Belgien, das mit knapp zwölf Millionen Einwohner nur ein wenig größer als Österreich ist, ist auch im Herbst wieder massiv von der Pandemie getroffen worden: 16.750 Neuinfektionen wurden zuletzt registriert; und das, obwohl das kleine Land schon im Frühling so hohe Todesraten wie beinahe kein anderes EU-Land aufzuweisen hatte.
Die erst kürzlich angetretene Regierung hat darum kürzlich beschlossen, wieder in einen Teil-Lockdown zu gehen - eine nächtliche Ausgangssperre gilt, alle Bars und Restaurants sind geschlossen, zunächst für vier Wochen. Zudem darf man nur noch eine Person aus einem anderen Haushalt treffen, so die Vorgabe.
Tschechien: Ein ganzes Land sperrt sich ein
Tschechien hat mit den am massivsten steigenden Zahlen in Europa zu kämpfen - und das, obwohl die Maßnahmen dort schon seit einiger Zeit rigoros sind.
Seit Donnerstag sind fast alle Geschäfte geschlossen, ausgenommen sind nur Supermärkte, Drogerien und Apotheken. Zudem werden Ausgangsbeschränkungen wie im Frühjahr verhängt. Kontakte mit anderen Leuten sollten auf die „absolut notwendige Zeit“ begrenzt werden - die Wohnung verlassen darf man nur für den Weg zur Arbeit, notwendige Einkäufe, Arzt- und Familienbesuche. Erlaubt sind auch Spaziergänge in Parks und der freien Natur - allerdings nur allein, zu zweit oder mit anderen Familienmitgliedern.
Die Maskenpflicht gilt ab dieser Woche auch im Freien. In Innenräumen ist die Mund-Nasen-Bedeckung ohnehin Pflicht – neuerdings auch im Auto, wenn familienfremde Personen mitfahren. Schulen und Gastronomie sind geschlossen, Sport- und Kulturveranstaltungen ausgesetzt, in der Öffentlichkeit gilt ein striktes Alkoholverbot.
Nicht an seine eigenen Regeln gehalten hat sich übrigens der tschechische Gesundheitsminister - er musste jetzt das Feld räumen.
Slowenien: Am Samstag wird zugemacht
In Slowenien ist man bereits so weit, dass das Contact Tracing eingestellt wurde - die Ressourcen reichen nicht mehr aus, heißt es. Die Fallzahlen sind dramatisch, die Zahl der aktiven Fälle hat sich binnen einer Woche beinahe verdoppelt.
Ab Samstag bleiben nicht wesentliche Geschäfte, Hotels, Kindergärten und Studentenheime geschlossen - zumindest für eine Woche. Veranstaltungen jeder Art sind abgesagt, in die Schule dürfen nur mehr Volksschüler.
Seit Dienstag gilt zusätzlich eine landesweite Ausgangssperre zwischen 21 und 6 Uhr. Ausnahmen gibt es nur für den Weg zur oder von der Arbeit sowie in Notfällen. Zudem sind Auslandsreisen untersagt - außer für Personen, die aus triftigen Gründen auf ihre Grundstücke im benachbarten Ausland müssen.
Slowakei: Lockdown ab Samstag
Von Samstag bis inklusive 1. November gelten in der Slowakei wieder strenge Ausgangsbeschränkungen. Dann dürfen die Menschen mehr als eine Woche lang die eigene Wohnung nur für dringende Zwecke verlassen. Dazu gehören der Weg zur Arbeit, zu einem Coronavirus-Test und zur Deckung von Grundbedürfnissen, aber auch für kleine Spaziergänge in der Natur.
Die Schulen werden im ganzen Land ab Montag für einen Monat nur für die ersten vier Schulstufen offenstehen. Die älteren Schüler müssen auf Onlineunterricht umsteigen.
In vier besonders stark betroffenen Bezirken an der polnischen Grenze gelten noch strengere Bestimmungen. Dort dürfen Personen, die keinen negativen Test vorweisen können, fast nur noch ins Testlabor gehen, auch der Weg zur Arbeit ist untersagt.
Frankreich: 46 Millionen dürfen nachts nicht raus
Am Donnerstag wurde in Frankreich eine Höchstzahl gemeldet, die es seit der ersten Welle Mitte Mai nicht mehr gegeben hat: Innerhalb eines Tages starben 165 Menschen an den Folgen einer Corona-Erkrankung.
Ein neuer Lockdown ist derzeit allerdings noch in Griffweite. Bisher hat sich die Regierung mit nächtlichen Ausgangssperren beholfen - die werden aber nun ausgeweitet: Waren bisher nur der Großraum Paris und acht weitere Metropolen davon betroffen, so dürfen künftig zwei Drittel aller Franzosen nachts das Haus nicht mehr verlassen.
Spanien: Lockdowns bisher nur regional
Eine Million Infizierte - so viele, wie in keinem anderen Land Europas: Spanien hat die Pandemie im Herbst mindestens so schlimm getroffen wie im Frühling. Dennoch hat sich der Staat keinen landesweiten Lockdown verordnet, sondern nur betroffene Regionen abgeriegelt. 60 Gemeinden sind es bisher, die man nicht verlassen darf, darunter auch die Hauptstadt Madrid.
Das soll nun ausgeweitet werden, da die Maßnahmen nicht überall greifen. Seit Donnerstag ist mit dem nordspanischen Navarra erstmals eine ganze autonome Region abgeriegelt.
Portugal: Lockdowns im Norden, Reiseverbot zu Allerheiligen
Portugal war bislang kein Hotspot der Pandemie - das hat sich zuletzt geändert, die Fallzahlen stiegen auch dort heftig. Mehr als 3000 Neuinfektionen kamen zuletzt auf die etwa zehn Millionen Einwohner.
Die Regierung hat darum in den hauptbetroffenen Regionen im Norden Ausgangssperren verhängt - in Felgueiras, Lousada und Pacos de Ferreira dürfen die Bewohner eine Woche lang nicht das Haus verlassen. Zudem gilt von 30. Oktober bis 3. November ein Reiseverbot, man darf den eigenen Wohnbezirk nicht verlassen - so will man den Reiseverkehr zu Allerheiligen eindämmen.
Italien: Nachts muss man zu Hause bleiben
In Italien, das im Frühling ja eines der hauptbetroffenen Länder der Epidemie war, setzt man angesichts erneut steigender Zahlen wieder auf rigide Maßnahmen - wie etwa nächtliche Ausgangssperren. In Rom, Kampanien und der Lombardei darf man zwischen 23 und 5 Uhr - außer aus triftigen Gründen - die Wohnung nicht mehr verlassen.
Andere Maßnahmen sind durchaus vergleichbar mit jenen in Österreich. Bars und Restaurants müssen um Mitternacht schließen, zudem dürfen maximal sechs Gäste pro Tisch in Lokalen sitzen. Ab 18 Uhr dürfen Speisen und Getränke lediglich am Tisch und nicht mehr stehend konsumiert werden. Spielhallen und Wettbüros schließen um 21 Uhr. Bürgermeister dürfen öffentliche Plätze und Straßen ab 21 Uhr absperren, um Massenansammlungen zu vermeiden. In den Schulen wird ein ein gestaffelter Unterrichtsbeginn eingeführt. Verboten ist Kontaktsport auf Amateurebene sowie Volksfeste; religiöse Messen bleiben erlaubt.
Deutschland: Kleine Lockdowns in tiefroten Zonen
In Deutschland hatte man lange Zeit den Eindruck, von der zweiten Welle verschont zu bleiben - bis vor einigen Tagen: Jetzt steigen bei unserem nördlichen Nachbarn die Fallzahlen auch wieder massiv, am Freitag verzeichnete man erneut mehr als 11.000 Neuansteckungen.
Die Maßnahmen der Regierung sind allerdings nicht besonders restriktiv - zumal in Deutschland die Bewältigung der Corona-Pandemie auch den Ländern obliegt. Was allerdings verpflichtend gilt: In „roten Zonen“ - wo es mehr als 50 Neuinfektionen binnen sieben Tagen pro 100.000 Einwohner gibt - wird die Maskenpflicht ausgeweitet, Kontaktbeschränkungen auf maximal fünf Personen sind vorgeschrieben. Privatfeiern sind auf zehn Personen beschränkt. In der Gastronomie gilt die Sperrstunde um 23 Uhr und ein generelles Ausgabeverbot von Alkohol.
Einen Lockdown gibt es nur in tiefroten Zonen wie etwa dem Berchtesgadener Land - dort darf man die Wohnung ab 14 Uhr an nur noch bei Vorliegen triftiger Gründe verlassen, Schulen und Kindergärten bieten nur mehr Notbetreuung an. Freizeiteinrichtungen, Lokale und Restaurants müssen vorerst geschlossen bleiben - erlaubt sind allerdings Gottesdienste.
Schweiz: Hohe Fallzahlen, wenig Maßnahmen
In der Schweiz steigen die Fallzahlen so rasant wie kaum anderswo, dennoch ist die Regierung eher zurückhaltend, was die Maßnahmen angeht.
Verboten sind lediglich Versammlungen mit mehr als 15 Personen im öffentlichen Raum; im privaten Raum gibt es keine Einschränkungen - nur die Bitte der Regierung, die sozialen Kontakte einzuschränken.
Verschärft wurde die bisher recht laxe Maskenpflicht. Sie galt bisher nur in öffentlichen Verkehrsmitteln; jetzt wurde sie auf Geschäfte, Restaurants und Museen ausgeweitet. Auch an öffentlichen Plätzen wie Bahnhöfen, Flughäfen und Haltestellen muss ein Mund-Nasen-Schutz getragen werden.
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