Einigung nach viel Theaterdonner
Der EU-Gipfel am Donnerstag stand ganz im Zeichen der Vergabe der vier Spitzenposten - und der Durchbruch gelang: Trotz des Nein von Giorgia Meloni und des ohnehin verlässlichen Nein-Sagers Viktor Orban.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, "Spitzenkandidatin" der Europäischen Volkspartei EVP, bekommt eine zweite Amtszeit. Den Posten des Präsidenten des EU-Rates – derzeit hat ihn der Belgier Charles Michel – besetzen im Ausgleich die Sozialdemokraten mit Portugals vor kurzem zurückgetretenen Premierminister Antonio Costa. Die Liberalen, ungeachtet ihres Desasters bei den EU-Wahlen und einer Spaltung innerhalb der Fraktion, bekommen den Posten des Hohen Beauftragten für Außen- und Sicherheitspolitik, also des EU-"Außenministers" mit der Ministerpräsidentin Estlands, Kaja Kallas. Präsidentin des EU-Parlaments bleibt Roberta Metsola, ebenfalls aus der EVP.
Kein Spitzenposten also für Italien. Vorerst, denn was Melonis Theaterdonner in den vergangenen Tagen erreicht hat, ist voraussichtlich ein hochrangiger Posten für einen Italiener in der nächsten Kommission, Aufgabenbereich Wirtschaft, so wünscht es sich die Premierministerin. Und ihr Wort hat Gewicht, sie lenkt ja nicht nur Europas drittgrößte Volkswirtschaft, sondern ist auch bei den EU-Wahlen mit ihrer Partei "Fratelli d’Italia" in Italien klar erste geworden. Das Problem allerdings: Die "Fratelli" sind Teil der rechtskonservativen EKR-Fraktion im EU-Parlament. Jede Zusammenarbeit mit der "postfaschistischen" Partei ist für die Sozialdemokraten ausgeschlossen.
Dasselbe noch einmal
Wie also rauskommen aus der Zwickmühle? Tagelang war zwischen Europas Regierungszentralen hin und her telefoniert und über Alternativvorschläge gesprochen worden, die es dann als Gerüchte in die Medien schafften. Plötzlich aber hieß es: Alles beim Alten. Sechs Regierungschefs, jeweils zwei aus den drei erwähnten Parteien, hätten sich jetzt endgültig auf die erste Lösung geeinigt. Die müsse nur noch auf dem Gipfel abgenickt werden.
Das passte nicht allen, am allerwenigsten Giorgia Meloni. Die rückte in Brüssel an; entschlossen, auf Totalopposition zu setzen. Den anderen Regierungschefs blieb nichts anderes übrig, als die Italienerin zu besänftigen und irgendwie ins Boot zu holen.
So stimmte etwa Polens Regierungschef Donald Tusk ein regelrechtes Loblied auf Meloni an. "Ich schätze niemanden so sehr wie sie", erklärte er vor der Presse: "Es gibt kein Europa ohne Italien und keinen EU-Gipfel ohne Premierministerin Meloni." Auch Österreichs Bundeskanzler Karl Nehammer betonte, dass Meloni gerade in der Frage der Migration "gute Ansätze für die EU" geliefert habe. Man müsse sie bei den jetzt anstehenden politischen Entscheidungen "mit auf den Weg nehmen".
Ob das schließlich doch eine Annäherung an die "Fratelli d’Italia" bedeuten sollte, wie sie die EVP ja ohnehin anpeilt – auch gegen den Widerstand der Sozialdemokraten? Auf jeden Fall müsse eine rasche Einigung her, betonten die meisten Regierungschef, schließlich gebe es – angesichts multipler Krisen – Wichtigeres zu tun, als sich mit Personalfragen zu beschäftigen. Jetzt ist die Einigung da, zumindest einmal im EU-Rat. Im Juli muss sich Von der Leyen dann im Parlament eine Mehrheit bekommen - und das könnte trotz allem noch heikel werden.
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