Bevor es aber mit den EU-Beitrittsverhandlungen Kapitel für Kapitel losgehen kann, sollen die Länder noch grundlegende Reformen ihres Rechtsstaates durchführen. Im Fall der Ukraine ist Brüssel da ganz konkret: Kampf gegen Korruption, Schutz von Minderheiten und natürlich, den immer noch für jede Demokratie erdrückenden Einfluss der Oligarchen zurückdrängen.
Für Moldau gibt es vor allem Lob für die bereits erzielten Fortschritte. Bei Bosnien dagegen bleibt man bei den notwendigen Reformen vorerst vage: "Eine ganze Reihe von rechtlichen und politischen Schritten" müsse das Land setzen, bevor man mit dem Verhandeln beginnen könne. Vor allem der politische Zustand des mit Serbien eng verbundenen Landesteils, der Republika Srbska, ist für die EU eine große Hürde.
Wann die drei Länder dann tatsächlich Mitglieder der Union werden, dafür gibt es auch mit diesem Bericht kein absehbares Datum. Anders als EU-Ratspräsident Charles Michel, der vor kurzem das Jahr 2030 ins Spiel gebracht hatte, gab es von Kommissionschefin Ursula von der Leyen keinerlei Fingerzeig in diese Richtung.
Sorgen in den Balkanländern
Startet die Ukraine also auf der Überholspur in Richtung Europa, während andere weiterhin am Straßenrand hängenbleiben? Das ist die Sorge, die derzeit vor allem in den Ländern am Balkan umgeht.
Von Montenegro bis Albanien gibt es dort weitere fünf Länder, die bereits jetzt offiziell als EU-Beitrittskandidaten gelten. Deren Beitrittsgespräche, wenn überhaupt schon ernsthaft begonnen, kommen seit Ewigkeiten nicht mehr voran. 2025 hatten maßgebliche Vertreter der EU einst als Beitrittsdatum für diese Länder ins Spiel gebracht - ein Datum, von dem in Brüssel längst nicht mehr die Rede ist.
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Jetzt aber, das machte EU-Erweiterungskommissar Oliver Varhelyi neben Von der Leyen deutlich, soll ein neuer "Wachstumspakt" den Beitrittsprozess dieser Länder "beschleunigen". Es gehe, so der Ungar, "um tatsächliche Integration im politischen Alltag".
"Stufenmodell"
Die Kandidaten, so der Plan der EU, sollen "Vorteile der EU schon vor dem Beitritt" genießen dürfen. So spricht die Kommission vor allem von einem schrittweisen Zugang zum gemeinsamen Binnenmarkt. Das würde das Wirtschaftswachstum in den Ländern deutlich beschleunigen. Ein Plan, der dem "Stufenmodell" folgt, das Länder wie Österreich seit längerem vorschlagen. Anstatt die neuen Mitglieder endlos im Wartesaal sitzen zu lassen, sollen sie überall dort, wo sie schon politisch, oder wirtschaftlich in der EU mitspielen können, auch den Zutritt bekommen.
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Erweiterung vor Reform
Doch bei jedem dieser Schritte sind riesige Hürden zu überwinden, machen Diplomaten in Brüssel deutlich - und zwar auf Seiten der EU, aber auch der Beitrittswerber. Die Union müsse dringend Reformen ihrer gesamten Strukturen angehen. Das betrifft alles von den politischen Entscheidungen, und wie sie getroffen werden, bis zur Verteilung der Gelder. Ein riesiger Agrarstaat wie die Ukraine würde die dazugehörigen Budgets sprengen und den EU-Binnenmarkt überlasten. Trotzdem, so erklärte der Erweiterungskommissar, "ist die Reform der EU keine Voraussetzung für die Erweiterung. Die EU ist auch mit ihrem derzeitigen Regelwerk fit für diese Erweiterung."
"Keine Abkürzung"
Auf jeden Fall aber müssen die Beitrittsländer nicht nur die bereits erwähnten EU-Regeln für Rechtsstaatlichkeit einhalten, sondern auch ihre eigenen Märkte so umgestalten, dass sie als Teil des EU-Binnenmarktes funktionieren können. "Es darf keine Schnellverfahren, Ausnahmen oder Abkürzungen im EU-Erweiterungsprozess geben", macht Andreas Schieder, Delegationsleiter der SPÖ im EU-Parlament, deutlich, der enge Kontakte zu Balkanländern wie Nordmazedonien pflegt und sich regelmäßig vor Ort über die Lage auf dem Laufenden hält.
Gerade in Nordmazedonien, oder Albanien gäbe es große Fortschritte bei den rechtsstaatlichen Reformen, das müsse die EU auch anerkennen, "sonst verlieren wir unsere Glaubwürdigkeit und enttäuschen das große Vertrauen, dass die Bevölkerung vor Ort in die EU setzt." In Serbien dagegen, dem größten Land unter unter den Balkan-Beitrittskandidaten, kämen die Reformen die Reformen nicht voran. Die Kommission aber gibt sich jetzt aber demonstrativ optimistisch: Der "Wachstumspakt", der unter anderem auch sechs Milliarden an neuen Förderungen für die Balkanländer vorsieht, werde den Beitrittsprozess beschleunigen. Das Ganze komme wieder in Bewegung. Denn eines sei klar: "Diese Länder gehören zur europäischen Familie. Wir wollen sie in der EU."
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