„Wenn die Ukraine als Vollmitglied Aufnahme in der EU findet, wird das eine ganz andere Europäische Union sein“, sagt Götz Reichert. „Allein von der Größe, der Bevölkerungszahl und der wirtschaftlichen Lage der Ukraine her gesehen“, führt der Europarechtsexperte am Think Tank Centrum für Europäische Politik (cep) aus.
Die Ukraine wäre das ärmste Land der EU. Das würde zuallererst bedeuten: Große Teile der Regionalförderung und aus dem Topf der Agrargelder – und die machen zusammen mehr als die Hälfte des EU-Budgets aus – würden in die Ukraine fließen.
Das würde vor allem zulasten Frankreichs und Polens gehen. Die beiden Agrarriesen haben bisher anteilsmäßig die meisten landwirtschaftlichen Förderungen erhalten.
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„Kuchenstücke werden kleiner“
„Die einzelnen Stücke aus dem Verteilungskuchen werden kleiner“, stellt Reichert fest – „oder aber die EU-Mitgliedsstaaten zahlen erheblich mehr in den gemeinsamen Haushalt ein.“
Gewaltige Budgetstreits wären damit schon jetzt vorprogrammiert. Denn erste vorsichtige Kalkulationen haben ergeben: Selbst ein Nettoempfänger wie Polen dürfte wegen der steigenden Beiträge fürs EU-Budget bei einem Ukraine-Beitritt zu einem Nettozahler werden.Und auch die Proteste polnischer Bauern zeigten: Wenn das billigere Getreide aus der Ukraine den polnischen Weizen vom Markt drängt, wird selbst in Polen das Rufen nach einem raschen EU-Beitritt der Ukraine leiser.
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Worüber hingegen vorerst nicht diskutiert wird: Über militärischen Beistand, sollte die Ukraine wieder angegriffen werden. Dabei sehen die EU-Verträge vor, dass die Mitgliedsstaaten einander helfen, sollte einer von ihnen attackiert werden.
Noch heuer, so hofft der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskij, solle Kiew das Grüne Licht für den Start von EU-Beitrittsverhandlungen bekommen.
Seine größte Fürsprecherin findet er dabei in EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen: „Manche könnten denken, es sei unmöglich, über eine freie und friedliche Ukraine in der EU zu reden“, sagte sie jüngst, „aber Europa ist dabei, das Unmögliche möglich zu machen.“
Bis dahin aber ist der Weg für die Ukraine noch weit. „So lange der Krieg dauert, weiß man noch nicht, wie die Ukraine letztlich aus diesem Krieg herauskommt“, sagt cep-Experte Reichert. Und dann müsse die Ukraine auch noch das gesamte gesetzliche Regelwerk der EU übernehmen - eine Marathonaufgabe. Bei den Beitrittskandidaten auf dem Balkan dauert dies schon mehr als ein Dutzend Jahre.
Will die EU die Ukraine aufnehmen, muss sie sich aber zunächst selbst reformieren. Um handlungsfähig zu bleiben, braucht sie andere Entscheidungsprozesse.
Weil viele Entscheidungen unter den EU-Staaten einstimmig fallen müssen, hat jedes Land die Möglichkeit zu blockieren. „Diese Prozesse stammen aus früheren Zeiten, als die EU viel kleiner war. Aber je größer die EU wird, umso dringlicher wird die Frage: Ist sie vorbereitet?“
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