Warum Europa die Zeitumstellung nicht los wird - und EU diesmal nichts dafür kann
Zeitumstellung? Gute Frage, wo liegt die denn eigentlich, die Akte? Man muss schon ein bisschen beharrlicher bei den Brüsseler Institutionen nachfragen, um herauszufinden, ob sich hier gerade jemand mit einer der Lieblingssorgen von Millionen von Europäern beschäftigt: Der halbjährlichen Zeitumstellung - oder genauer gesagt, dem Plan, sie abzuschaffen.
In der Generaldirektion für Verkehr ist die Akte in der EU-Kommission angesiedelt, schließlich war es ja nicht das übernächtigte Kopfweh der Bürger, dass den Behörden Sorgen bereitete, sondern die mühsame Koordination im Fernverkehr auf der Schiene und in der Luft, die den Anstoß gab, die Umstellung doch abzuschaffen.
Große Worte
Doch dieser Anstoß ist inzwischen auch schon ein paar Jahre her. 2018 war es, da hatte die EU-Kommission vorgeschlagen, dass mit dem Wechsel zwischen Sommer- und Normalzeit Schluss sein soll. Einst, Anfang der 1980er, war sie in der EU eingeführt worden, vor allem um Energie zu sparen. Der tatsächliche Effekt aber, so belegen Statistiken, blieb bescheiden und verlor sich irgendwann vollständig. Grund genug also, um mit dem halbjährlichen Ärger Schluss zu machen.
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Millionen Stimmen
Bei der mit Abstand erfolgreichsten Onlineumfrage der Behörde waren schließlich mehr als 80 Prozent der 4,6 Millionen Teilnehmer dafür. Vor allem Deutsche, plus ein paar Stimmen aus Österreich und Luxemburg. Auch das Europaparlament hat den Vorschlag mit großer Mehrheit unterstützt.
Grund genug also, um die Kommission in Bewegung zu setzen. Kaum war die Online-Umfrage zum potenziellen Ende des Zeitenwechsels ausgewertet, verkündete der damalige EU-Kommissionspräsident Jean Claude Juncker bereits der für ihn typischen Wortgewalt: "Die Menschen wollen das - wir machen das."
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Doch das Machen gestaltete sich schwieriger als erwartet. Schließlich konnte ja Brüssel nicht den einzelnen EU-Staaten, die ja ohnehin kreuz und quer in verschiedenen Zeitzonen verankert waren, verordnen, wie sie an der Uhr zu drehen hatten. Jedes EU-Land müsste für sich entscheiden, ob seine Bürger dauerhaft in der Sommer- oder der Normalzeit leben sollen. Gibt es also dann eine große Zeitzone für alle 27, oder zwei, oder drei?
Warnung vor Zeitinseln
Wie oft und wo müssen dann Grenzpendler die Uhr umstellen? All diese Fragen landeten also in den Mitgliedsländern und offensichtlich hatte in vielen keine Regierung und keine Behörde so richtig Lust darauf, sich auf diese Prozedur einzulassen, die möglicherweise ja einen beachtlichen Teil der Bevölkerung nachhaltig verärgern könnte. Deutschland etwa befürchtete "Zeitinseln im Binnenmarkt".
Da half es also auch nichts, dass die Vertreter des EU-Parlaments - vor allem natürlich wieder Deutsche - darauf drängten, dass man jetzt endlich in die Gänge kommen solle. Es sei doch, so meinte etwa ein SPD-Parlamentarier, "äußerst befremdlich, dass sich die Mitgliedsstaaten überhaupt nicht damit befassen."
Denn wenn die EU-Kommission und das Parlament einmal ihre Vorschläge beziehungsweise Stellungnahmen abgeliefert haben, dann liegt der Ball bei den Mitgliedsländern, genauer gesagt, bei jenem Land, das gerade die Ratspräsidentschaft innehat. Und da war das letzte Land, dass das zumindest überlegte, Finnland im Jahr 2019. Damals, so war in Brüssel zu erfahren, habe die letzte Diskussion darüber stattgefunden.
Ganz andere Sorgen
Auf der tatsächlichen To-Do-Liste der Finnen landete das Thema zuletzt doch nicht - und so ist es bis heute geblieben. Denn, während sich in der EU ein Problem nach dem anderen einstellte - von Pandemie bis Ukrainekrieg - wollte sich auch keine andere Ratspräsidentschaft die Mühe machen. 2021, so hatte es die EU-Kommission eigentlich nach der Abstimmung vorgesehen, sollte das ganze über die Bühne gehen.
Daraus, das ist inzwischen aktenkundig, wurde nichts. Sommerzeit und Winterzeit, deren Ende eigentlich schon besiegelt war, dürfen die Europäer also weiterhin halbjährlich verärgern. Da hilft es auch nichts, dass EU-Politiker regelmäßig vor einem langsamen Tod des Plans warnen.
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